Thomas Brezina - Ein Interview auf heißer Spur (Teil 1)
Beitrag von Stefan Cernohuby | 10. März 2016
Als Österreicher aus der Generation die jetzt selbst Kinder hat, sind viele von uns durch die Bücher von Thomas Brezina begleitet aufgewachsen. Als Onlineredaktion, die sich besonders mit Kinder- und Jugendliteratur auseinandersetzt, ist Thomas Brezina natürlich immer präsent – und auch gerade erst aktuell wieder mit dem neuen Bronti-Band. Im Hinblick auf die deutlich modernisierte Version – und der Tatsache, dass jemand, der die eigene Kindheit begleitet hat, nun auch für die nächste Generation da ist – haben wir den erfolgreichen Autor um ein Interview gebeten. Es freut uns sehr, dass Thomas Brezina Zeit für uns finden konnte.
Stefan Cernohuby:
Als Sie Mitte der 1980er begonnen haben, bei einigen Produktionen des ORF mitzuarbeiten – in Rundfunk und Fernsehen - hätten Sie damals schon eine Karriere oder einen Lebensweg geplant, wie das heute der Fall ist?
Thomas Brezina:
Nein. Alles in meinem Leben ist auf mich zugekommen. Ich habe ja gesagt, wenn sich eine Chance und eine Möglichkeit für mich aufgetan hat. Das hat oft einigen Mut gebraucht und mich vor Situationen gestellt, in denen ich überlegt habe, ob ich das schaffe. Aber ich habe nie etwas geplant. Ich habe immer gern Geschichten erzählt, seit ich 8 Jahre alt war.
Ich war fasziniert vom Fernsehen, Radio und vom Hörspiel. Das war die Basis für mich, und daraus hat sich alles entwickelt. Einen Wettbewerb gewinnen, diese Manuskripte, Fernsehmanuskripte, werden ans Fernsehen weitergereicht. Dort arbeite ich aber schon gleichzeitig als Puppenspieler. Plötzlich bekomm ich das Angebot, Fernsehmanuskripte zu schreiben. Und so ging das immer weiter. Jemand hört meine Hörspiele, die ich schreibe, und dann bekomme ich das Angebot, Bücher zu schreiben. Ich überlege und denke 'nein, ich schreibe eigentlich immer nur Serien, weil ich es vom Hörfunk so gewohnt bin.' Der Verlag sagt darauf 'super, wir haben immer jemanden gesucht, der uns eine Serie schreibt, aber normalerweise macht das niemand. Ich habe den ersten Vertrag unterschrieben, für zehn Bücher in einem Jahr. Für mich war das normal, ich habe jede Woche ein Hörspiel verfasst. Dann habe ich gemerkt, Bücher schreiben ist doch etwas anderes. Das erste habe ich weggeworfen und das zweite ist es dann geworden. Ich habe ununterbrochen versucht, weiter zu lernen und Sachen zu verfeinern.
Stefan Cernohuby:
Ihre ersten Bücher gibt es ja mittlerweile schon geraume Zeit, von einigen hat es bereits Modernisierungen gegeben. Ist das auf Ihre Initiative hin passiert oder ist man da auf Sie zugekommen?
Thomas Brezina:
Ja natürlich. Wir arbeiten sehr eng mit den Verlagen zusammen. Jetzt muss man bedenken, als vor mehr als 20 Jahren der Knickerbocker-Kinofilm herauskam, gab es eine Szene, in der telefoniert ein Kind mit einem Handy. Ich bin zerrissen worden dafür. Die Kritiken nannten es das Unfassbarste, Unverantwortlichste auf der Welt, ein Kind mit einem Handy zu zeigen. Heute wird in den Knickerbocker-Büchern jede Telefonzelle rausgenommen, in der ein Kind telefoniert, und dafür reingeschrieben, dass es sein Handy nimmt. Das ist bei Serien dieser Art ein normaler lebendiger Prozess.
Was Bronti angeht, ist es ein bisschen anders. Ich habe die Bronti-Serie immer sehr gemocht. Und als wir überlegten, was wir damit machen, habe ich mir die Bücher durchgelesen und festgestellt, so würde ich das heute nicht mehr schreiben. Ich habe die Grundstory genommen, aber ich habe die Bücher im Prinzip neu geschrieben.
Aber bestimmte Stilelemente, zum Beispiel diese Lautmalerei, habe ich drinnen gelassen. Dieses manchmal ein bisschen Zeichentrickartige habe ich weitergeführt und anders aufgebaut. Noch etwas habe ich gemacht. In der früheren Fassung gab es nur ein Mädchen. Jetzt sind es ein Mädchen und ein Bub.
Ein Bruder. Das ist auch spannender und lustiger. Zudem wissen Buben mit Sauriern noch wesentlich mehr anzufangen. Die menschlichen Aspekte von Bronti sind völlig gleich geblieben. Und ich habe diesen wunderbaren Illustrator, Pablo Tambuscio, der in Argentinien sitzt, diese Geschichten so mag und der mit einem völlig neuen Bronti im Aussehen gekommen ist. Einem viel Einzigartigeren. So sind die Bücher neu entstanden.
Die Bücher sind hauptsächlich zum Vorlesen und zum Selberlesen, was uns sehr wichtig war und worauf wir größten Wert gelegt haben. Jede Seite ist illustriert. Es gibt viel zum Anschauen, sodass selbst Kinder, die an Büchern vielleicht nicht so interessiert sind, allein nur durch die Bilder neugierig gemacht werden und wissen wollen, wovon die Geschichte handelt. Das ist immer mein Ziel.
Stefan Cernohuby:
Mit okidoki, das 2008 das Vorgängerformat abgelöst hat, ist die Zielgruppe für das Kinderfernsehen von vorher 15 Jahren auf 10 Jahre zusammengestaucht worden. War das Ihrer Meinung nach ein notwendiger Schritt?
Thomas Brezina:
Es geht nicht um eine Notwendigkeit, sondern um ein Seher-Verhalten. Öffentlich-rechtliche Kinderprogramme werden von Kindern zwischen drei und neun Jahren geschaut. Diese Kinder kann man mit diesem Programm am besten erreichen. Also müssen wir auch Sendungen für sie machen. Beobachtet man die BBC, für mich führend für öffentlich-rechtliches Kinderprogramm, geht die Altersgruppe auch hinunter. Das heißt, die Kernzuschauerschaft wird eigentlich immer jünger. Darauf mussten wir Rücksicht nehmen und für sie die bestmöglichen Sendungen machen.
Stefan Cernohuby:
Haben Sie unter all den Serien, die Sie erschaffen haben, einen persönlichen Favoriten?
Thomas Brezina:
Nein, das ist so, wie wenn man den Vater fragt, welches Kind er am liebsten hat.
„Ein Fall für dich und das Tiger-Team“ ist eine Serie, in der alles drinnen ist, was ich als Kind haben wollte. Diese Interaktion, das sind die Kinder, die Freunde, die völlig allein unterwegs sind und tolle Abenteuer erleben. Man hat in dem Buch Dinge dabei, die das ganze lebendig machen.
Dann hab ich begonnen, Teenage-Novels zu schreiben, wie “Wilde Wahnsinns-Engel”. Ich liebe es und ich arbeite in diese Richtung jetzt auch ganz massiv weiter.
„Knickerbockerbande“ ist etwas, das ich bis zum heutigen Tag wirklich mag. „Tom Turbo“ begleitet mich natürlich mein Leben lang, und darauf bin ich auch wirklich stolz. Das ist ein Charakter, den es sonst wirklich nirgendwo gibt.
Ich mag „No Jungs“, weil es das Sinnbild einer fröhlichen Familie ist.
Das ist mir immer wichtig. Kindern einen Zugang zur Familie und dem Leben zu schildern, der nicht blauäugig, naiv, optimistisch ist, sondern der einfach ihnen immer wieder zeigt: Es geht.
„Penny“ ist natürlich etwas, was mich Jahre begleitet hat. Ich liebe Tiere, ich wollte selbst Tierarzt werden. Hier konnte ich meine Leidenschaft ausleben.
Was mich freut ist, wenn mir heute Erwachsene schreiben, dass zum Beispiel gerade die Penny-Familie für sie in der Kindheit so ein Leitbild, ein Vorbild war. Ich hab‘ das Glück und komme aus einer harmonischen Familie. Meine Eltern waren nicht geschieden, auch wenn mein Vater wahnsinnig viel gearbeitet hat und ich nicht sehr viel von ihm gesehen habe. Aber die Zeit, die er dann da war, das war “quality-time”. Ich habe das geschätzt und genau das einfach gerne weitergegeben. - Das war jetzt eine lange Antwort auf eine einfache Frage.
Stefan Cernohuby:
Apropos viel arbeiten. Sie arbeiten ja mehr oder weniger schon ihr ganzes Leben „für Kinder”, haben aber selbst keine Kinder. Ist das auch ein bisschen der Arbeit geschuldet, wäre das schwierig unterzubringen?
Thomas Brezina:
Ja, es ist so. Mein Leben ist ein Leben des Erschaffens und wenn Sie es so sehen wollen, alles was ich geschrieben und erschaffen habe, ist ein bisschen wie Nachwuchs. Ich würde das nicht ganz so vergleichen, aber ist es ein ununterbrochener Prozess des Erschaffens. Für mich ist dieses Erschaffen, dieses Kreieren von etwas sehr aufregend. Das ist so schön. Ich habe größte Probleme, ein Wochenende, an dem ich einfach einmal Pause brauche, gut zu verbringen, weil ich eigentlich schon wieder weitermachen möchte.
Stefan Cernohuby:
Nach allen Kinder- und Teenager-Romanen hat es Sie nie gereizt, auch etwas für Erwachsene zu schreiben?
Thomas Brezina:
Doch, ich schreibe gerade an meinem zweiten Erwachsenenroman und habe einen dritten schon in Planung. Das ist ein Projekt, das macht mir persönlich riesig Spaß. Natürlich will dieser Schritt weise gesetzt sein. Für mich ist das etwas, das mir Freude macht – und auf diesen Moment habe ich gewartet.
Stefan Cernohuby:
Sie haben vermutlich mehr Serien geschrieben als viele andere in ihrer Zeit als Autor einzelne Werke. Wenn man Sie jetzt fragen würde, wie viele Werke Sie insgesamt verfasst haben, hätten Sie eine konkrete Zahl?
Thomas Brezina:
Ja. Ich kann das ganz genau sagen, ich habe eine Liste.
Die Bücherliste sagt ... ich habe ... ich schreibe gerade Buch Nummer 548.
Das sind jetzt nur die Originalausgaben, nicht gezählt sind diese ganzen Sammelausgaben. Da ist sehr viel auch zusammengestellt worden.
Stefan Cernohuby:
Sie schreiben sowohl Werke rein für Mädchen, wie schon vorher erwähnt „No Jungs!” oder vielleicht den „Grusel-Club”“, der sich eher an Jungs richtet. Wie interpretieren Sie Aussagen wie „Man sollte nicht versuchen, von außen Interessen aufzuprägen.”? Widerspricht das jetzt in irgendeiner Form der modernen Erziehungsauffassung?
Thomas Brezina:
Wir haben es einfach mit Leserinnen und Lesern zu tun, die ganz genau wissen was sie wollen. Und ganz ehrlich gesagt, das wissen sie oft schon mit zwei Jahren. Wenn ich mir jetzt meinen kleinen Neffen anschaue, der ist jetzt etwas über zwei Jahre, der greift sofort zu jedem Buch, wo ein Traktor drauf ist, wo ein Auto drauf ist. Ja, das ist einfach so. Meine Nichte, die ist vier oder fünf, greift zu jedem Prinzessinnenbuch.
Vor 27 Jahren habe ich Bücher zu schreiben begonnen. In der Knickerbocker-Bande habe ich ein Mädchen zur Anführerin der Bande gemacht. Da hat man mir drauf gesagt, das ist unverkäuflich, das wird kein Bub dieser Welt lesen. Einige Millionen Bände später wird das anders gesehen.
Ich habe immer etwas gemacht, an das ich glaube. Ich habe starke Mädchen geschildert, aber stark nicht im Sinne, dass sie Buben imitieren, sondern dass sie eigenständig mit ihren eigenen Qualitäten sind. So wie bei Penny oder den „No Jungs!”-Schwestern, die ja auch völlig unterschiedlich sind.
Buben haben oft eine ganz andere Form von Humor als Mädchen. Mitunter wollen sie ganz einfach Action. Das kommt ja aus ihnen, es ist ja nicht so, dass wir ihnen das aufzwingen, wir bieten es nur an.
Zu Teil 2 des Interviews >>