Lesung: Die Zeitungsfrau von Veit Heinichen
Beitrag von Manfred Weiss | 16. November 2016
Im gut gefüllten Bank Austria Salon im Alten Rathaus in Wien machte Veit Heinichen mit einer Lesung aus seinem neuen Roman “Die Zeitungsfrau” Station - auf dem Tisch eine Karaffe Wasser und ein Glas Weißwein. Ob es einer der vielgerühmten Karstweine oder ein österreichischer Veltliner war blieb allerdings ungeklärt. Gemundet scheint er jedenfalls zu haben. Dazu eine rote Blume am Tisch zur Verzierung und als bunter Tupfen. So war der Rahmen für eine entspannte Stunde mit dem Autor wohl bereitet.
Die Lesung selbst ist ein moderiertes Zweiergespräch auf der Bühne, mit dazwischen gelegten Textpassagen aus dem Buch.
Die erste Frage an Heinichen bietet sich zum Titel des Buches natürlich an. Gibt es sie irgendwo wirklich, Teresa Fondo, die Titelheldin des Buches, die betörende Zeitungsfrau? Zur Freude vieler ist die Antwort “Ja”. Obschon natürlich mit einem anderen Namen, einer anderen Geschichte, an einem anderen Ort, auf einer anderen Piazza. Wäre doch zu einfach gewesen.
Daran schliesst Heinichen ein Plädoyer für das Reisen mit offenen Augen an, weil man nur so auch Menschen und Orte abseits von Sehenswürdigkeiten und Reiseführertips wahrnehmen und erleben kann.
Und so gilt die erste Lesepassage aus dem Buch denn auch der Zeitungsfrau und ihrer magnetischen Wirkung auf den Großteil ihrer männlichen Kunden.
Doch natürlich kann ein Gespräch mit Veit Heinichen auch nicht ohne einer Frage nach seiner Begeisterung für Triest auskommen. Er selbst lebt nun seit mehr als zwanzig Jahren dort und erinnert sich, dass er schon vor fast vierzig Jahren bei seinem ersten Besuch einen besonderen Bezug zu der Stadt gespürt hatte und auch, dass er damals schon wusste, dass er mit Triest noch lange nicht fertig wäre.
Und Triest ist in seinen Romanen allgegenwärtig, nicht nur Straßen und Plätze, sondern bis hin zu realen Lokalen und Bars. Alle bisher neun Romane rund um Commissiario Proteo Laurenti sind in Triest angesiedelt.
Befragt zu den verschiedenen Figuren in “Die Zeitungsfrau” erzählt er, dass ihn vor allem die teils verschwimmenden Grenzen zwischen dem Guten und Bösen interessieren. So gibt es auch in der Vergangenheit der Zeitungsfrau einen dunklen Schatten und selbst der Commissario ist nicht immer nur ganz auf der Seite des Guten.
Sowohl im Gespräch, als auch in der Lesung meistert es Veit Heinichen geschickt über Buch und Handlung nicht zu viel zu verraten, aber dem Zuhörer doch einen Eindruck rund um Geschehen und die Motive der verschiedene Charaktere zu vermitteln.
Man merkt allerdings auch sehr rasch, dass Heinichen nicht der begnadete Vorleser ist. Die Lesung selbst schafft es nicht dem Text etwas hinzuzufügen. Die eigentlich spannenden Teile sind die Hintergrundinformationen zwischen den Lesetetxten.
Die zweite Lesepassage wendet sich dann dem Bösen im Roman zu. In der Person von Lino de la Rosa. Auch für ihn gibt es ein reales Vorbild. Aber, so sehr auch er vom Schicksal gezeichnet ist, gelähmt nach einem Verkehrsunfall, bleibt er doch unumstößlich auf der dunklen Seite, wie die Textpassage zu einer seiner Touren durch die Automatencafes Triests recht anschaulich darstellt.
Aber, wie Veit Heinichen dazu so schön sagte, “In der Fantasie kann man sich alles mögliche ausmalen und im Buch kann man es dann realisieren.”
Natürlich muss auch die Frage nach dem Genre Krimi gestellt werden und wie Heinichen die Rolle des Krimis in der Literatur sieht. Dazu stellt er klar, dass er sich mit der Reihe rund um Proteo Laurenti mehr als Romancier, denn als als Krimiautor empfindet. Wie überhaupt das Genre Krimi sehr weit gefasst werden könne. So sei “Verbrechen und Strafe” von Dostojewski der großartigste Kriminalroman, den er kennt.
Zum Finale wendet sich das Gespräch endlich auch dem Commissario zu. Proteo Laurenti. Wobei die Betonung von Proteo auf dem ersten o liegt und nicht auf dem e.
Auch der ist, wie gesagt ebenso eine Figur, die für Heinichen nicht völlig über alle Zweifel erhaben ist. Er berichtet, dass er schon versucht hätte den Commissario in einem der Romane zu töten. Doch dem habe der sich letztlich entzogen.
Zum Abschluss beschreibt Heinichen auch noch ein wenig die Recherche zu seinen Romanen. Diesmal etwa zum Thema Geldwäsche und den neuen Strategien nach dem Wegfall anonymer Konten in vielen Ländern. Nun hätten Kunstwerke und einzigartige archäologische Artefakte dabei eine immer größere Rolle erhalten. Und mit ihnen, wie in “Die Zeitungsfrau”, auch die erwähnten Freihäfen zur Lagerung.
Von hier ist der Bogen dann nicht mehr weit zur Mafia, die nach seiner Meinung schon lang der Folklore eines italienischen Familienunternehmens entwachsen und vielmehr ein internationaler Großkonzern ohne Respekt für Grenzen geworden ist.
Andererseits spielt im Geldwäscheumfeld auch der Finanzierungsbedarf des internationalen Terrors rund um die IS und andere Gruppen, die sich in nicht unbeträchtlichem Ausmass durch den Verkauf archäologische Artefakte finanzieren, eine wichtige Rolle.
Vor diesem düsteren Hintergrund, der aber auch einen guten Einblick in die Arbeitsweise Heinichens bei der Aufbereitung der kriminalistischen Grundlagen seiner Romane bildet, bietet die dritte und abschliessende Lesepassage ein leichtfüssiges Ende.
In einem humoristisch-grotesken Stilleben erzählt er darin von einem versehentlichen Schuss der Schwiegermutter zwischen ihre Zehen und durch die Badeschlapfen. Mit am Familientisch dabei auch Dirk, der neue Freund von Tochter Livia. Ein deutscher Rechtsanwalt, der dem Italienisch der Familie Laurenti noch recht wenig entgegenzusetzen hat.
Bleibt abschließend nur noch die Frage, wie es mit Proteo Laurenti weitergeht und ob nicht die Chance besteht, dass er dereinst auch mit Wienbezug recherchieren wird. Ganz ausschließen mag es Veit Heinichen nicht, wobei er aber augenzwinkernd meint, dass es vermutlich schwer wird, weil in Wien ja Korruption und Betrug keine Geschichte haben. So endet die Lesung mit einer humoristischen Note, die das Publikum mit einem verschmitzten Lachen honoriert.