Manche Schriftsteller waren zeitlebens als Schmierfinken verschrien und konnten ihre großen Erfolge erst Posthum folgen. Im Fall von H. P. Lovecraft ist aber auch heute der kaum verhüllte Rassismus, der in seinen Werken schwelte, immer wieder ein Thema. Wie muss das erst zu seiner eigenen Zeit und nach seinem Tod gewesen sein? In einem Amerika, das immer noch tief gespalten ist. Wo Lynchmobs und Ku-Klux-Klan regieren. In „Lovecraft Country“. Davon handelt der neue Roman von Matt Ruff.
Als Atticus Turner von der Armee zurückkehrt, muss er quer durch die USA fahren. Denn sein Vater, mit dem er schon seit langer Zeit zerstritten ist, hat nach ihm gefragt. Doch eine derartige Fahrt ist keine ungefährliche Aufgabe, selbst mit einem „Safe Negro Travel Guide“ – einem Werk, das auflistet, wo Schwarze willkommen sind und auch bedient werden. Eine Autopanne, viel Science-Fiction-Literatur und mehrere unliebsame Begegnungen mit lynchlustigen Polizisten später kommt er an seinem Ziel an. Bei einer Familie namens Braithwhite, die mit ihm große, mysteriöse und okkulte Pläne haben.
Doch auch seine Verwandtschaft macht Bekanntschaft mit den Braithwhites, in Person von Caleb. Er ist die graue Eminenz im Hintergrund, die sowohl etwas mit der geheimnisvollen Erbschaft von Letitia als auch mit dem Job zu tun hat, den Ruby annimmt. Und selten geht alles mit rechten Dingen zu. Kisten in Räumen ohne Schwerkraft, ein Geisterhaus, ein Körpertausch-Elixir und eine Familie jenseits der Zeit sind nur einige Widrigkeiten, mit denen sich die Protagonisten ihrer eigenen Abenteuer auseinandersetzen müssen, um letzten Endes alle zusammenzufinden. In einem Land, das jenes von H. P. Lovecraft sein könnte, obwohl all seine Handlungsorte reine Erfindung waren. Oder etwa doch nicht?
Reine Erfindung ist vielleicht etwas übertrieben, denn Lovecraft hat seine Städte an existierende angelehnt. So ist es auch kein Zufall, dass Massachusetts zu jenem New England gehört, in welchem Lovecrafts Geschichten stets angesiedelt waren. Und dass Ardham und Arkham, wo der Roman seinen Ausgang nimmt, sehr ähnlich klingen hat eine tiefere Bedeutung. Würden alle Episoden in „Lovecraft Country“ die gleiche beklemmende Stimmung verbreiten und die selbe Intensität besitzen wie jene erste Geschichte rund um Atticus Turner, wäre das vorliegende Werk ein heißer Tipp für einen der besten Romane des Jahres. So baut das Werk leider zwischendurch etwas ab, bevor es sich zu einem fulminanten Ende aufschaukelt. Dieses auf und ab, bei welchem unterschiedliche Charaktere ins Zentrum der Handlung rücken, bremst leider die Erzählung. Immer wieder muss das Grundszenario aufbereitet werden, immer wieder werden Hintergründe aufgearbeitet. Dennoch kann man „Lovecraft Country“ jedem empfehlen, der bereits Romane von Matt Ruff kennt. Er bleibt seinem Stil treu. Aber auch Quereinsteiger, Lovecraft-Fans und Liebhaber von Romanen mit okkult-mysteriös-erschreckenden Inhalten können hier bedenkenlos zugreifen.
„Lovecraft Country“ ist ein in mehreren Episoden erzählter Roman von Matt Ruff, der die Interaktion zweier Familien ins Zentrum seiner Geschichte rückt. Mysteriöse Ereignisse, übersinnliche Wissenschaft und erschreckende Geheimnisse ergeben ein sehr gelungenes und fesselndes Werk, das lediglich durch seine vielen Tempowechsel in seiner Qualität minimal beschränkt wird. Dennoch kann man das Buch nicht nur Lovecraft- und Ruff-Fans empfehlen. Auch Anhänger des Mysteriösen und Geheimnisvollen werden hiermit ihre Freude haben.
Details
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Originaltitel:Lovecraft Country
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Erschienen:05/2018
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Umfang:432 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783446258204
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Preis (D):24,00 €