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Ein Ort hat oft aufgrund von Ereignissen, für der er natürlich nichts kann, Bedeutung und Beigeschmack, die mit Geographie oder wirtschaftlicher Relevanz nichts zu tun haben. Fällt beispielsweise der Name des Ortes Braunau, werden sehr viele Menschen selbigen mit einer ganz bestimmten Person assoziieren: Adolf Hitler. Denn dort wurde er geboren. Adolf Holl, der mit Hitler allerdings nur den Vornamen gemeinsam hat, zieht den Ort in eine religionsphilosophische Betrachtung mit ein. Sein aktuelles Buch trägt den Namen "Braunau am Ganges".

Es gibt verschiedene Betrachtungssysteme, die man in unterschiedlichen Religionen und Kulturen zurate zieht. Neben der nüchternen Betrachtung der Realität, die in westlichen Breiten die Regel ist, ist die indische Weltanschauung ein starker Kontrast dazu. Denn dort ist nicht nur das Schattensystem relevant, das sich seiner Auffassung nach parallel zum Realsystem hält, sondern auch das Verklärungssystem. Letzteres verschönt oder verschleiert die Leben realer Persönlichkeiten nach dem, was man hierzulande als Ende ihrer physischen Existenz betrachtet - was in Indien aber etwas ganz anderes bedeutet. Nämlich nur den Zwischenschritt zur nächsten Inkarnation. Aber auch das Wahnsystem wird erwähnt. In einer seltsamen Diskussion mit sich selbst wird immer wieder das Thema Hitler angesprochen. Warum er in einer Kultur verdammt wird, in der anderen aber als selbstverständlich gesehen. Weil gewisse andere Gottheiten nicht nur das Positive, als das Gute darstellen. So akzeptieren Hindus bereitwillig, dass Schiwa auch dem einen oder anderen Gott den Kopf abgeschlagen hat. Aber auch, dass er gegen relativ harmlose Kontrahenten den Kürzeren gezogen hat. Wenn Hitler in Braunau am Ganges wiedergeboren werden würde, denn Raum und Zeit spielen in anderen Systemen wenig Rolle, würde er vermutlich eine ganze Menge an Wiedergeburten vor sich haben, bevor er sein schlechtes Karma loswürde. In Indien würde man meinen, er wäre von Dämonen beeinflusst worden. Vermutlich. Und so werden die Sichtweisen eines indischen Religionsexperten und emigrierten Österreichers Agehananda Bharati, geborener Leopold Fischer, mit denen des ehemaligen Priesters Adolf Holl kurzgeschlossen. Dabei wird allerlei unterschiedlichen Gedankenpfaden gefolgt.

Kapitel zwischen zwei und fünf Seiten, die Ideen aus unterschiedlichen Blickwinkeln, der Sichtweise verschiedener Kulturen und Religionen betrachten, machen es dem Leser nicht wirklich leicht, zu folgen. Denn es gibt keinen roten Faden. Das mag Absicht sein, denn auch in Realität gibt es einen solchen Faden nicht, genauso wenig wie in dem im Buch beschriebenen Schattensystem. Alles geht ineinander über, wiederholt sich und wird neu bedacht. Ob es um die Stellung der Sexualität im Leben, die Verdammung oder Akzeptanz von Individuen oder gar die Rolle der Frau in einer Kultur geht, ist dabei irrelevant. Der Autor, in einem streitbaren Zwiegespräch mit sich selbst, mischt Geschichte, Philosophie und erörtert die Möglichkeit von fiktiven Orten, möglichen Reinkarnationen. Die Widersprüche seiner eigenen Gedankengänge und der unterschiedlichen Religionen und Systeme akzeptiert er selbst. Für den Leser, der von einer konsistenten (westlichen) Beweis- oder Behauptungsführung ausgeht, mag das mitunter schwieriger zu akzeptieren sein als für den Autor selbst. Dementsprechend muss man sehr offen sein, um sich mit der Materie oder dem Immateriellen darin auseinanderzusetzen. Aber das kann durchaus etwas Gutes sein.