Gewisse Genres sind einfacher zu kombinieren als andere. Eine schwierige Kombination wäre zum Beispiel eine Verschmelzung der Themen Steinzeit und Cyberpunk. Doch Fantasy und viktorianisches Zeitalter sind weit unproblematischer miteinander zu verbinden. Das hat sich wohl auch Jonathan Barnes in seinem Roman "Das Albtraumreich des Edward Moon" gedacht und dementsprechend gehandelt. Ob es sich allerdings nur um einen Alptraum für den Protagonisten oder auch für den Leser handelt, soll hier näher behandelt werden.
Edward Moon war einst einer der größten Bühnenmagier von London. Doch sein Stern ist seit längerem im Sinken. Mit seinem Assistenten, dem (anscheinend) stummen und unzerstörbaren "Schlafwandler", spielt er täglich Vorstellungen vor nur halb gefülltem Saal. Sein schlimmster Feind ist die Langeweile. Daher vertreibt er sich die Zeit damit, schwierige Kriminalfälle zu lösen. Mit Vorliebe jene, bei denen die Polizei nicht mehr weiter weiß. Als ein junger Mann aus der Oberschicht unter mysteriösen Umständen stirbt, ist Moons Interesse geweckt. Enthusiastisch stürzt er sich auf den Fall, ohne jedoch auf die Hintergründe zu stoßen. Doch was, wenn das Verbrechen nur als Köder dienen sollte, um ihn auf eine völlig falsche Spur zu locken? Edward Moon begegnet seltsamen Gestalten, die nur zum Teil als wirkliche Personen bezeichnet werden können. Da ist ein Mann, der von sich behauptet, in allen Zeiten von London gelebt zu haben, dann ein erpresserischer Albino, ein gescheiterter Gesellschafts-Visionär und nicht zuletzt Edwards etwas "spezielle" Schwester. Sie alle verstricken sich in ein Spiel, das bitterer Ernst werden und zuletzt sogar den Untergang Londons einleiten soll. Oder ist Edward Moon in der Lage das Verhängnis aufzuhalten, das der Dichtkunst eines der größten Söhne Englands entspringt?
Es ist schwierig, gewisse Bücher ernst zu nehmen, vor allem wenn sowohl Setting als auch Hintergrund ziemlich phantastisch anmuten, um dann trotzdem eine relativ ernsthafte Handlung zu transportieren. So ist es auch mit "Das Albtraumreich des Edward Moon" (Englischer Originaltitel "The Somnambulist" / "Der Schlafwandler"). Man ist sich phasenweise nicht sicher, ob die Handlung ernst gemeint ist, dann wird man wieder von ihrer Brutalität überrascht, von kritischen Inhalten am Fuß erwischt, von historischen Vorträgen belehrt, um dann am Ende wieder von einem Fluss absurder Situationen mitgerissen zu werden. Das bedeutet, dass leider keine durchgängige Linie und kein einheitliches Gesamtbild vorhanden sind. Dennoch weiß das Buch zu unterhalten. Die Handlung ist spannend, die Charaktere vielseitig, interessant und trotzdem geheimnisvoll. Die Gesamtkulisse kann allerdings durchaus als skurril bezeichnet werden. Leser, die einer derartigen Mixtur etwas abgewinnen können, dürfen getrost zugreifen, ihnen wird das Buch bestimmt gefallen. Wer aber mit der Hoffnung an das Werk herangeht, klare literarische Linien zu finden, wird möglicherweise enttäuscht werden und sollte besser zu einem anderen Roman greifen. Man darf gespannt sein, ob der Autor seine aktuelle Vorgehensweise auch bei seinen nächsten Werken beibehält. Denn dass diese folgen werden, kann man mit Bestimmtheit annehmen.
Jonathan Barnes hat mit "Das Albtraumreich des Edward Moon" auf jeden Fall eines geschaffen. Eine wilde Mischung aus verschiedenen Ingredienzien. Zeitreisen, Magie, Zombies, Hypnose und vieles mehr, bilden zwar ein spannendes aber etwas inkonsistentes Gesamtbild. Wen das allerdings nicht abschreckt, der kann trotzdem zugreifen. Es lohnt sich.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:08/2009
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Umfang:400 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:3492266932
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ISBN 13:9783492266932
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Preis (D):8,95 €