Manchmal hat man das Gefühl, es gibt mehr Verbrecher als Durchschnittsbürger. Zählt man die Anzahl der Krimi- und Thrillerneuerscheinungen allein in deutscher Sprache, kommen auf hundert unbescholtene Bürger bestimmt zwei Mörder und ein Serienmörder. Auch in Valentina Bergers neuem Roman "Das Liliengrab" geht es wieder um jemanden, der das Morden nicht sein lassen kann. Ob ihr bewährtes Ermittlerteam auch mit diesem neuen Fall fertig wird, ist eine interessante Frage.
Die vergangenen Ereignisse haben keinen der Charaktere unberührt gelassen. Stärkeren Einfluss als der Augenschneider hatte auf den Ermittler Helmut Wagner aber die Abtreibung seiner Ex-Freundin, die sie ohne sein Wissen vornahm. Als es sich bei seinem neuesten Fall um ein Baby handelt, das in ein Taufkleid gehüllt und auf Lilien gebettet gefunden wird, bringt das eine sehr spezielle Saite in ihm zum Klingen. Auch Gerichtsmediziner Heinz Martin ist alles andere als erpicht darauf, sich mit toten Babys auseinanderzusetzen. Selbst für ihn ist das eine Aufgabe, die seinen sprichwörtlichen starken Magen überfordert. Ihre gemeinsame Kollegin Laura Campelli sieht die Angelegenheit als Frau naturgemäß noch einmal anders. Besonders da sie im Laufe der Geschichte zuerst mit vernachlässigten Kindern zu tun bekommt und später auch noch persönliche Gefühle mit ins Spiel kommen als sie Tante wird. Gleichzeitig zu den Ermittlungen wird auch der Handlungsstrang der Täterin abgearbeitet. Es gibt also keinen "Aha-Effekt". Doch die Motive der Mörderin wandeln sich. Vom ersten, aus einer Kurzschluss-Reaktion entstandenen Mord entwickelt sich ein Fall von klinischer Schizophrenie. Sie bekommt den Eindruck, dass ihre eigene, bei der Geburt verstorbene Tochter möchte, dass sie andre Babys in den Himmel schickt - zu Engeln macht - um sie so vor dem Bösen in der Welt zu retten.
Es ist nochmals eine Steigerung zu gewöhnlichen Verbrechen, wenn sich jemand an Babys und Kleinkindern vergreift. Dementsprechend beginnt das Buch ab jenem Zeitpunkt, wo die Mörderin das erste Baby tötet, ziemlich schwierig zu werden. Wäre die Handlung so fortgesetzt worden, hätte sich der Verfasser dieser Rezension ernsthaft überlegt, die Lektüre abzubrechen. Doch dagegen wirkt die Wendung im Hinblick auf die zunehmende Geisteskrankheit der Mörderin beinahe erheiternd und auflockernd. Ob man den weiteren Stellen nun eine gewisse unfreiwillige Komik zugestehen möchte oder sich durch ihre Verwirrung das Motiv wehrlose Babys zu töten abschwächt, sei einmal so in den Raum gestellt. Die Charaktere agieren in einem gewissen Rahmen sehr überzeugend, in einem größeren Kontext gesehen allerdings doch wieder etwas fragwürdig. So wird gerade zu Beginn des Romas immer wieder und wieder an dem Fall gearbeitet, obwohl noch keiner weiß, ob es sich überhaupt um einen solchen handelt. Da fragt man sich als Leser doch: Haben die Ermittler nichts anderes zu tun? Gibt es keine anderen offenen Fälle zu lösen? Insgesamt kann man daher festhalten, dass das Werk den Leser leidlich gut unterhält, wenn er keine Berührungsängste mit Baby- und Kleinkindermördern hat. Dennoch sind die Handlung und vor allem das Handeln der Charaktere nicht immer ganz rund. Und das lässt das Werk als Gesamteindruck leider nicht über die Masse herausragen.
"Das Liliengrab" ist der zweite Thriller von Valentina Berger. Wieder spielt er in Wien und das Ermittlerteam ist dasselbe wie im ersten Roman. Für all jene, denen die Konstellation gefallen hat und die generell Ermittlungen in Wien oder bei Serienmördern mögen, können hier gerne zugreifen. Dennoch muss man festhalten, dass das Werk leider nicht unbedingt zu den allerbesten seines Genres zählt. Als gute Durchschnittskost kann man den Roman aber ohne schlechtes Gewissen bezeichnen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:09/2011
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Umfang:384 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ASIN:3492258131
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ISBN 13:9783492258135
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Preis (D):9,95 €