Das Restaurant der verlorenen Rezepte

von Hisashi Kashiwai
Rezension von Emilia Engel | 07. August 2023

Ein Mal noch das Lieblingsgericht der Oma essen oder ein letztes Mal in Erinnerungen schwelgen beim Genuss eines Gerichts der verstorbenen Ehefrau. Mit Geschmäckern sind oft viele Emotionen und Erinnerungen verbunden. Erneut wieder einen altebekannten Geschmack zu kosten, der in ferner Vergangenheit gegessen wurde, kann dem Essenden so vieles geben. In “Das Restaurant der verlorenen Rezepte” gehen Nagare und Koishi sechs Gerichten und ihren Rezept nach.

Die Anzeige in der Zeitung ist sehr vage. Es wird damit geworben, dass verloren gegangene Rezepte wieder aufgespürt werden können. Eine Adresse zu diesem geheimnisvollen Restaurant findet man nicht, lediglich Hinweise. Doch wer das Kamogawa-Restaurant wirklich finden möchte, der wird auch fündig.
Nagare ist ein pensionierter Kriminalbeamter, der nun sein eigenes Restaurant führt. Mit seiner Leidenschaft fürs Kochen und seinem kriminalistischen Spürsinn versteht er es den kleinsten Hinweisen nachzugehen. Gemeinsam mit seiner Tochter Koishi führt er dieses kleine, aber feine Lokal. Nagare und Koishi haben mit dem Tod von Koishis Mutter selbst Erfahrung mit Verlust gemacht und können dadurch oftmals die Anliegen ihrer Kunden nur zu gut verstehen. Die Menschen, die sie um Hilfe bitten, kommen aus den unterschiedlichsten Gründen und mal mit außergewöhnlichen und mal mit ganz simplen Gerichten - das Lieblingsessen aus der Kindheit, das Essen eines verstorbenen Ehepartners und mehr. Manchmal gibt es gar nicht so viele Hinweise wie man an das Rezept oder die genaue Zubereitung herankommen könnte, doch Nagare versteht sein Fach meisterhaft.
Aber nicht immer ist das, was Nagare findet, auch das, was seine Kunden möchten. Denn gemeinsam mit den verschollenen Rezepten breitet Nagare den Suchenden immer die Geschichte dar, die zu diesem Gericht gehört. Mit viel Hingabe und Spürsinn schaffen es Nagare und Kioshi den Wünschen ihrer Klienten gerecht zu werden. Sie gehen nie mit leeren Händen weg, sondern im Gegenteil, mit vollem Herzen und vollem Magen. Was im Kamogawa_restaurant getan wird, ist weit mehr als nur ein meisterhaftes und köstliches Gericht zu zaubern, sondern auch Erinnerungen wachzurufen und die Seele heilen zu lassen.

Hisashi Kashiwai hatte mit seinem Roman “Das Restaurant der verlorenen Rezepte” in Japan so viel Erfolg, dass er danach nicht nur eine mehrbändige Serie dazu schrieb, sondern das Buch auch verfilmt wurde. Jetzt erstmals auf Deutsch dürfen auch wir deutschsprachigen Leser und Leserinnen in den sprichwörtlichen Genuss seines Romanes kommen. Und das ist es im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Kashiwai versteht es mit seiner genauen Beschreibung der Gerichte, die Nagare am Ende jeden Falles auftischt, dem Leser und der Leserin das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Großteils sind es natürlich klassisch japanische Gerichte, doch auch etwas Italienisches wird ein Mal gewunschen.
Dieses Buch ist jetzt nicht unbedingt ein klassischer Roman mit einem Anfang und Ende und einer Spannungskurve dazwischen. Vielmehr sind es sechs einzelne Geschichten, in denen man gemeinsam mit den Protagonisten in das Leben und die Vergangenheit der Klienten eintaucht. So liest man von den verschiedensten Menschen mit den unterschiedlichsten Emotionen. Nicht immer finden sie die Art der Klienten gut, besonders Kioshi, die da doch etwas impulsiverer Natur ist. Ein anderes Mal hängen sie selbst sehr an den Geschichten, die ihnen erzählt werden und legen noch mehr Herzblut in ihre Fälle und Rezepte.
Es ist ein wunderbares Buch, das mit seinen detaillierten Beschreibungen einen wahnsinningen Hunger auf asiatische Küche und guten grünen Tee macht. Mit seinen “Fällen” eignet es sich perfekt, wenn man zwischendurch nur kurz Zeit zum Lesen hat. So kann man locker zwischendurch mal ein Kapitel lesen und hat damit eine abgeschlossene Geschichte.

"Das Restaurant der verlorenen Rezepte" ist ein sehr unterhaltsamer und doch auch vielschichtiger Roman, der für Freunde des guten Essens die perfekte Sommerlektüre ist. Doch auch solche Leser und Leserinnen, die es lieben, eine große Bandbreite des menschlichen Lebens zu sehen, werden hier auf ihre Kosten kommen. Eine absolut empfehlenswerte Lektüre, die sich sowohl dazu eignet in einem Rutsch zu lesen, als auch häppchenweise.