Das Versprechen des Bienenhüters

von Christy Lefteri
Rezension von Emilia Engel | 02. September 2019

Das Versprechen des Bienenhüters

Nuri wird beinahe alles genommen was er liebt. Sein Zuhause, seine geliebten Bienenstöcke und vor allem sein geliebter Sohn Sami - sie sind alle Opfer des Krieges in Syrien geworden. Das einzige, was ihm bleibt, sind seine erblindete Frau und das Wissen, dass in England sein Cousin mit seiner Familie auf ihn wartet. Es ist ein weiter Weg dahin - ein beschwerlicher und gefährlicher. Doch es gibt keine andere Option als die Flucht. Die Frage ist nun: Welche Spuren wird dieser Weg in den Herzen der Flüchtenden hinterlassen? 

Nuri führt ein glückliches Leben in Aleppo, einer Stadt im Norden Syriens. Er liebt seine Frau Afra, eine Künstlerin, und ihren kleinen Sohn Sami über alles. Gemeinsam mit seinem Freund und Cousin Mustafa geht er einer Arbeit nach, die ihn vollständig ausfüllt. Nuri ist Bienenhüter. Mustafa und er haben sich mit ihren Bienen ein erfolgreiches Geschäft aufgebaut. Doch das nimmt alles ein jähes Ende als der Krieg beginnt in ihrer aller Leben einzugreifen. Mustafa flüchtet zu seiner Familie, die er schon rechtzeitig nach Großbritannien geschickt hat. Dort will er sich ein neues Leben als Bienenzüchter aufbauen.
Der Krieg nimmt Afras Augenlicht und Sami verliert sein Leben. Nuri will weg aus Syrien, doch es dauert sehr lange, bevor er Afra von der Flucht überzeugen kann. Leider ist es da schon beinahe zu spät. Flüchtlinge haben es sehr schwer weiterzukommen und nicht in Flüchtlingslagern hoffnungslos hängen zu bleiben.
Auf ihrem beschwerlichen Weg gibt es viele Stationen, an denen Nuri und Afra nicht viel mehr zu tun bleibt, als zu warten und zu überleben. Die Bedingungen sind oft menschenunwürdig. Gefahren lauern überall. War es zuerst die Gefahr des Krieges, so sind es später in Flüchtlingszentren ganz andere Gefahren, denen sich Nuri und seine Frau stellen müssen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind die E-mails seines Cousins Mustafas, der ihm von seiner Reise erzählt und davon, dass er wohlbehalten in England angekommen ist, wo er Nuri erwartet. Doch auch etwas anderes lässt Nuri an sein Leben klammern, das kaum noch lebenswürdig scheint: Ein Junge namens Mohammed, den er auf der Flucht kennenlernte. Er hat niemanden, der sich um ihn kümmert, daher nimmt sich Nuri ihm an. Doch alles läuft nicht so, wie Nuri es sich vorgestellt hat…

Inspiriert von ihrer Arbeit als Freiwillige in einem Flüchtlingslager in Athen, hat die Autorin Christy Lefteri ein Thema aufgegriffen, das niemanden kalt lässt, der sich einmal damit beschäftigt - die Flüchtlingsproblematik.
Die Geschichte beginnt in London, wo Afra und Nuri in einer Pension mit anderen Flüchtlingen wohnen und auf den Asylbescheid hoffen. Also weiß man von der ersten Seite an, dass die beiden es bis an ihr Ziel schaffen. Parallel dazu lesen wir Nuris Geschichte. Langsam entfaltet sich diese. Zuerst lesen wir von der Zeit, in der das Leben in Ordnung war und wie es sich dann schnell zum Schlechteren wendete.
Nuris Cousin Mustafa spielt eine wichtige Rolle in seinem Leben. Er ist weit mehr als sein Cousin. Mustafas Ankunft  in London gibt Nuri die Kraft, die er sonst nicht finden würde, um seine Reise fortzusetzen. Nuris Verhältnis zu seiner Frau hat sich seit dem Tod des Sohns stark verändert. So sehr er seine Frau liebt, kann er sie manchmal doch nicht ansehen. Aus Afras Sicht hat sich Nuri sehr verändert. Das Leid und der Verlust haben einen großen Keil in die Beziehung der beiden getrieben, dennoch geben sie einander nicht auf.
Es ist berührend und schockierend zugleich diese Geschichte zu lesen. So viele Gefühle sind in diesem Buch -  Verzweiflung,Trauer, Schmerz, Angst überwiegen. Es gibt aber auch immer wieder Hoffnung und Liebe, die durch die Verzweiflung durchschimmert.
Christy Lefteri greift im Laufe des Buches auch ein weiteres ernstes Thema auf - Posttraumatische Belastungsstörungen. Denn solche Erlebnisse wie man sie auf der Flucht und im Krieg erlebt, gehen nicht spurlos an einem vorüber.
Furchtbar sind auch die Einblicke in die Flüchtlingslager, die bestimmt authentisch sind, wenn man die Erfahrung der Autorin bedenkt. Die schrecklichen Bedingungen, die Gewalt, die Angst um sein Leben und sein letztes Hab und Gut und anderes… zeigen wie stark die Menschen sein müssen und wie verzweifelt in ihrer Suche nach Sicherheit, wenn sie es aus solchen Lagern schaffen.
Sehr schön und hingebungsvoll beschreibt die Autorin die Arbeit mit den Bienen und die Erinnerungen an diese, die Nuri stets in seinem Herzen trägt.

Alles in allem haben wir hier ein sehr lesenswertes Buch mit einem traurigen Hintergrund. Es ist eine berührende Geschichte für jene, die sich nicht scheuen von der Härte des Lebens zu lesen. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und lässt den Leser nachdenklich zurück - aber vielleicht auch dankbarer und wertschätzender als vor der Lektüre. Denn dieses Buch zeigt uns, wie gut es uns eigentlich geht und dass wir unsere Augen nicht vor dem Leid verschließen sollten, dass nicht allzu weit von unserem Zuhause entfernt geschieht. 

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    The Beekeeper of Aleppo
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    09/2019
  • Umfang:
    352
  • Typ:
    Hardcover
  • ISBN 13:
    9783809027157
  • Preis (D):
    20 €

Bewertung

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