Es gibt viele Romane, die sich mit tragischen Schicksalen auseinandersetzen. Dann gibt es einige weitere, die sich schwer zu verdauendem Stoff auf eher tragikomische Weise annähern. Und seit kurzem gibt es Dirk Stermanns Roman „Der Junge bekommt das Gute zuletzt“. Ein Buch, das laut vielen Quellen den Lexikoneintrag für die Bezeichnung „Das traurigste Buch der Welt“ für sich beansprucht. Das war etwas, das wir nicht unkommentiert stehen lassen wollten. Dementsprechend haben wir uns das Werk näher angesehen.
Manchmal befindet man sich in einem Mahlstrom der Ereignisse und hat keine Möglichkeit, irgendetwas dagegen zu unternehmen. So geht es auch Claude, dem Sohn eines Posaunisten und einer Ethnologin, als diese sich plötzlich trennen und diese Trennung auf besondere Art zelebrieren. Denn im Haus wird einfach eine Wand gebaut, die die Wohnfläche in zwei Hälften teilt. Auch die Kinder werden geteilt – Broni lebt bei Claudes Mutter und ihrem neuen Freund, Claude bleibt bei seinem Vater. Seine Großmutter – die dickste Oma von Wien – ist keine Hilfe und an seiner Eliteschule wird er zusammengeschlagen, weil er aus keiner reichen Familie kommt. Lediglich der Taxifahrer Dirko ist ein Lichtblick in seinem Leben. Der Serbe, der schon überall auf der Welt herumgekommen ist und eine Menge falscher Pässe besitzt, ist ein Quell der Weisheiten, vor allem jener morbiden Natur. Als Claudes Vater eine neue Freundin nach Hause bringt, die kurz darauf schwanger wird, scheint sich ein Problem zu entwickeln. Doch dieses wird dadurch gelöst, dass sein Vater einfach auszieht und Claude allein in der Wohnung zurücklässt. Ein Vierzehnjähriger, der gerade erst seine ersten Erfahrungen mit der Liebe macht, ist nun völlig auf sich allein gestellt. Bekommt er sein Happy End oder erwarten ihn noch mehr Lektionen in Sachen Schmerz?
Wie kann man in einer Rezension darstellen, wie Dirk Stermann dieses Buch geschrieben hat? Nur sehr schwierig, denn schon allein der Schreibstil ist eine Herausforderung. Es gibt keinen einzigen „normalen“ Absatz im Buch. Selbst deren einfachste Vertreter sind mit Exkursen und Assoziationen durchsetzt und enthalten Abstrusitäten. Und trotz des Humors, der jeder Seite innewohnt, ist der Roman ohne Zweifel traurig. Traurig, weil der Protagonist des Buchs einfach keine Chance bekommt, alles richtig zu machen. Die Wahrheit ist, es interessiert sich einfach niemand für ihn – aus den Augen, aus dem Sinn heißt es in Bezug auf seine Eltern, die ihr Leben leben wollen und ihn als Verirrung oder überflüssigen Ballast sehen. Die Freundschaft zu Dirko ist von Anfang an eine Beziehung mit Ablaufdatum und die Liebe, die er für seine Mitschülerin Minako empfindet, führt die beiden auf gefährliche Pfade. Das macht den ganzen Roman so tragisch, denn nicht einmal Windmühlen interessieren sich für den jungen Claude, der somit sogar als Don Quijote ungeeignet wäre. Er weiß das und nimmt alles mit Humor. Und hier wird sogar der Humor selbst nur ein eigenes Werkzeug der Verzweiflung.
Gerade die humorvolle Hoffnungslosigkeit macht das Buch jedoch lesenswert, weshalb wir das Werk allen empfehlen wollen, die literarisch zu Experimenten bereit sind.
„Der Junge bekommt das Gute zuletzt“ ist ein Roman von Dirk Stermann, der auf morbide Art beeindruckend ist. Noch nie wurden Witz und Humor derartig als Werkzeuge der Verzweiflung eingesetzt – noch nie musste ein Protagonist ein derartiges Martyrium aus abstrusen und unglaubwürdigen Schicksalsschlägen überstehen. Es handelt sich um ein Werk, das nicht nur für Fans von Stermann geeignet ist, sondern ein Stück Literatur, das sich schwer mit irgendeinem anderen Werk vergleichen lässt. Gerade deshalb lohnt sich die Lektüre.
Details
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Erschienen:10/2016
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Umfang:224 Seiten
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Typ:Hardcover
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Altersempfehlung:16 Jahre
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ISBN 13:9783498064389
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Preis (D):19,95 €