---

Schottland - ein Land von rauer Schönheit und ebenso rauer Geschichte. Nicht nur Fehden zwischen Clans prägen die Vergngenheit, sondern auch schicksalsträchtige Unabhängigkeitskriege - die Schlacht von Stirling Bridge oder Culloden, um zwei der vielleicht bekanntesten zu nennen. Hofft man, über die Geschichte Schottlands im Bereich Historischer Romane etwas zu finden, wird man enttäuscht werden. Denn wann immer ein Roman in den Weiten der schottischen Highlands angesiedelt ist, endet er früher oder später als erotisches Abenteuer. Auch der Klappentext von Amy Camerons "Der Ruf der Highlands" lässt auf eine Liebesgeschichte mit starken Gefühlen schließen. Dennoch wollten wir dem Werk, dieses Mal in Form eines E-Books, eine Chance geben und sahen es uns einmal genauer an.

Die junge Lili Campbell arbeitet als Lehrerin im Edinburgh zu Beginn der 1920iger. Als kurz vor Hogmanay, dem schottischen Neujahrsfest, der Vater einer ihrer Schülerinnen um Lilis Hand anhält, scheint ihr Glück perfekt. Überstürzt folgt sie Sir Niall Munroy in die Highlands. Doch es dauert nicht lange und Lili muss ernüchternd feststellen, dass ihr neues Leben voller Intrigen, Hass und Neid ist. Die Familie, in die sie bald einheiraten soll, entpuppt sich als eine Schlangengrube, die schon nach der ersten Begegnung viel zu viele Fragen in Lili aufkommen lässt. Ging Sir Nialls erste Frau wirklich in den Freitod? Was trieb sie dazu? Welches dunkle Familiengeheimnis steckt dahinter. In der Großmutter Mhairie scheint sie die einzig freundliche Person der Familie gefunden zu haben. Doch auch die Großmutter scheint ein Geheimnis mit sich herumzutragen, welches für die Familie unangenehm ist. Und noch etwas erfährt Lili: Seit vielen Jahren schon schwelt zwischen der Munroy-Familie und den Mackenzies eine alte Fehde. Lili, die im Glauben aufwuchs, ihr Vater sei vor ihrer Geburt tödlich verunglückt, muss bald schon herausfinden, dass dies nicht ganz der Wahrheit entspricht. Tatsächlich ist sie durch ihren Vater mehr mit der Munroy-Familie und der Fehde zwischen den beiden Clans verbunden. Doch Lili hütet sich, dieses Geheimnis ihrem Verlobten anzuvertrauen, immerhin würde es nicht nur das Ende der Verlobung bedeuten sondern die Situation eskalieren lassen.

"Der Ruf der Highlands" ist ein Schottlandroman, wie man ihn kaum anders erwarten kann. Große Gefühle, viel Liebe, alte Feindschaften - das ganze angesiedelt in einer rauen, einzigartigen Gegend. Gut, zugegeben, die Erotik und der Sex fehlen, aber das kann man sowohl der Autorin als auch dem Werk nur hoch anrechnen. Denn so erhält das Buch doch die Chance, ernstgenommen zu werden. Wenngleich jedoch nur als eine Familiensaga. Doch diese hat es in sich. Da sind zwei verfeindete Clans, die schon seit vielen Jahren im Streit liegen, zwei junge Frauen, die durch diesen Hass in ihr Unglück gestürzt wurden und eine, die sich kurz vor jenem Sturz befindet.
Die Personen sind jedoch recht einfach gezeichnet. Schnell wird dem Leser klar, wer gut und wer schlecht ist. Man verteilt seine Sympathien aber auch Antipathien unter den Handlungsfiguren. Überraschungseffekte gibt es wenige. Auch wenn die Autorin versucht, viel Dramatik in die Fehde einzubauen, bleibt es am Ende doch nur ein Streit, der aus den Folgen der schottischen Niederlage bei der Schlacht von Culloden hervorgegangen ist. Da nützt es auch nichts, einem der Clans Niedertracht und Gemeinheit seit jeher nachzusagen.
Historisch erfährt man nicht viel über Schottland. Ja, es fallen Worte wie "Schlacht bei Culloden" oder "Highland Clearances", hier und da werden noch Bräuche und Feste eingestreut, aber damit war es das auch schon auch wieder.
Auch wenn man bereits zu Beginn eine Ahnung hat, worauf das ganze hinauslaufen wird, kann man dem Buch seinen Spannungsbogen nicht absprechen. Die ersten beiden Drittel kann man als durchaus mitreißend bezeichnen. Leider lässt das letzte Drittel dann doch etwas zu wünschen übrig. Zu leicht entledigt sich die Autorin bestimmter Personen, lässt das Ende ein wenig zu glatt über die Bühne gehen.