Wer dieser Tage die Zeitung aufschlägt, wird sich vor Artikeln über den Amstettener Inzestfall nicht retten können. Immer wieder geschehen Verbrechen, deren Aufklärung für Wochen die Titelseiten füllen. Aber es gibt auch Gräueltaten, die den Medien keine Erwähnung wert sind. Warum? Weil kein Einzelschicksal dahinter steht und die Opfer zu den vergessenen Randgruppen gehören, deren Gesichter uninteressant sind und keine Stimme haben. Doch es gibt eine Journalistin und Autorin, die ihnen diese Stimme verleiht, wenn auch nicht immer in veröffentlichten Artikeln, sondern in Romanen. So auch Stefanie Baumm mit ihrem zweiten Buch "Der Tod wartet nicht".
Mitten im Winter wird in Schleswig-Holstein die Leiche des Gutsverwalters Wladimir Olgow angespült. Sofort gehen Kommissar Armin Stahl und seine Kollegen dem Fall nach und sehen sich auf dem Pferdegut von Olgows Arbeitgeber um. Dabei fällt ihnen auf, dass das noch vor wenigen Jahren fast bankrotte Gut mit der modernsten Ausstattung aufwarten kann. Nur wenige Tage später verunglückt die Gutsbesitzerin bei einem Autounfall und ihr Sohn ist spurlos verschwunden. Fast gleichzeitig wird eine weitere Leiche an Land geschwemmt. Dieses Mal handelt es sich allerdings um ein Kind, welches freiwillig in den Tod gegangen zu sein scheint. Doch auch in einem Kieler Krankenhaus häufen sich die Todesfälle und als die Kommissare einen illegalen osteuropäischen Kindertransport auffliegen lassen, wird ihnen klar, mit welchem skrupellosen Verbrechen sie es hier wirklich zu tun haben.
Der Roman beginnt mit scheinbar zusammenhanglosen Fällen und Tragödien, die anfangs kein gemeinsames Bild ergeben. Erst nach und nach wird dem Leser deutlich, worauf die Handlung hinauszulaufen scheint und welches menschenverachtende Verbrechen hinter all dem steckt. So gelingt es der Autorin hervorragend, den Leser von Anfang an zu fesseln und mitzureißen. Man ist neugierig, möchte wissen, was und wer hinter all dem steckt. Gleichzeitig baut Stefanie Baumm geschickt eine Liebegeschichte ein, die jedoch nicht übermäßig gefühlsbetont dargestellt wird und somit die eigentliche Handlung nicht in den Hintergrund drängt.
Doch nicht nur die Geschichte zieht den Leser in ihren Bann, auch die Sprache des Buches weiß zu überzeugen. Sehr gut sind Beschreibungen von Personen, Orten, Geschehnissen oder Situationen formuliert und ausgearbeitet. Die handelnden Figuren berühren den Leser und gewinnen dessen Sympathie. So wünscht man sich zum Ende, dass die beiden Liebenden trotz ihrer dunklen Vergangenheiten ein neues und vor allem gemeinsames Leben beginnen können.
Bei der Erzählung ihres Werkes verzichtet die Autorin auf detaillierte Beschreibungen von Gewalttaten. Der Roman kommt in der Tat ohne diese aus, beinhaltet das eigentliche Thema doch schon genügend Grausamkeit, die der Leser sich auch ohne nähere Erläuterungen gut vorstellen kann und deren Auswirkungen erschüttern.
"Der Tod wartet nicht" beinhaltet somit alles, was ein Leser von einem spannenden Thriller erwartet. Eine fesselnde Handlung, überzeugende Charaktere und unerschrockene Ermittler, denen es am Ende gelingt, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Doch anders als bei den meisten Büchern dieses Genres bleibt nach der Lektüre ein beklemmendes Gefühl beim Leser zurück - zu grausam und kaltblütig war das dargestellte Verbrechen. Doch noch schlimmer ist, dass es sich dabei nicht um eine pure Fiktion handelt, sondern dass solche Verbrechen tatsächlich tagtäglich geschehen, ohne dass die Medien auch nur ansatzweise darüber berichten. Ein Umstand, auf den die Autorin in ihrem Nachwort hinweist. Ihre Recherchen zu dieser Thematik ließen das vorliegende Werk entstehen. Ein Buch, das hervorragend unterhält, gleichzeitig aber auch auf ein dunkles und nicht erwähntes Kapitel unserer Gesellschaft hinweist.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:03/2008
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Umfang:347 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783426197769
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Preis (D):19,95 €