Die Mauern der Welt hoch

von James Tiptree Jr.
Rezension von Stefan Cernohuby | 27. Dezember 2016

Die Mauern der Welt hoch

Science-Fiction ist Männersache. Das denken heute wie damals viele Leser und Experten. In der Literaturszene war dieses Vorurteil früher so extrem verbreitet, dass Autorinnen unter männlichen Pseudonymen schrieben, um akzeptiert zu werden. Die wohl bekannteste Vertreterin dieser Autorinnen war Alice B. Sheldon, die unter dem Namen James Tiptree Jr. zwei Romane und unzählige Kurzgeschichten verfasste. Uns lag mit „Die Mauern der Welt hoch“ einer ihrer beiden Romane vor.

Ein gewaltiges Wesen streift allein durchs All. Es hat einen Auftrag, dem es gehorchen soll. Doch seine Aufmerksamkeit wird immer mehr abgelenkt – mit fatalen Folgen.
Tivonel ist eine Weibliche auf dem Planeten Tyree, einem Planeten der Winde. Leben existiert dort auf eine völlig andere Weise. Mit Düsen und Propellern fliegen sie und ihre Artgenossen durch den Himmel, umgeben von ihrem Seelenfeld. Doch Tivonel ist eine ungewöhnliche Vertreterin ihres Volkes, mit besonders starken Gefühlen für Giadoc, ihren einstigen Gefährten, der ihr gemeinsames Kind ausgetragen hat. Als sie ihn jedoch besucht, muss sie feststellen, dass der Wissenschaftler auf eine Bedrohung gestoßen ist, die das Ende für ihren gesamten Planeten bedeuten könnte.
Doktor Daniel Dan ist alles andere als ein fröhlicher Zeitgenosse. Er ist ein Arzt, muss aber für ein Projekt arbeiten, das eigentlich gar keinen Arzt benötigt. Deshalb ist er gar nicht unglücklich, wenn er zwischendurch einige Patienten behandeln kann. Bei der jungen Margaret Omali stellt Doktor Dan allerdings etwas Seltsames fest. Sie scheint telekinetisch veranlagt zu sein. Als dann jedoch Kreaturen von jenseits der Sterne mit ihnen Kontakt aufnehmen, verändert sich alles.
Die drei Handlungsfäden beginnen sich zu verknüpfen – sie enthalten eine Bedrohung für alles Leben im Universum, einen verzweifelten Plan und eine überraschende Chance...

Einer der schwierigsten Aspekte von Science-Fiction-Romanen ist die Darstellung anderer Rassen und Welten. Nicht immer gelingt diese Herausforderung, denn zu oft orientieren sich jene Wesen an einem konventionellen Denkmodell und an der menschlichen Anatomie. In „Die Mauern der Welt hoch“ hat die Autorin diese Pfade völlig verlassen und eine Art im Wind lebende rochenartige Wesen erfunden, die sowohl in ihrer Existenz als auch in ihrem Lebenszyklus völlig anders funktionieren als irdische Kreaturen. Auch der Weltraum-Leviathan, bei dem man über weite Strecken der Handlung nicht genau weiß, worum es sich genau handelt, ist sehr interessant gestaltet. Die unterschiedlichen Ebenen der Geschichte beginnen sich bereits relativ früh zu vermischen, man benötigt jedoch eine ganze Weile, um zu verstehen, wo manche der offensichtlich verschwundenen Charaktere gelandet sind. Für eine Geschichte aus den 1970er Jahren verwendet das Werk überraschend viele technische Referenzen – auch in Hinblick auf das fortgeschrittene Alter der Autorin bezogen. Liebhaber des Genres, die dieses Werk noch nicht in deutscher Sprache besitzen, sollten hier unbedingt zugreifen. Denn nicht nur die Begeisterung für ein spezielles Genre klingt hier deutlich durch, sondern auch visionäre Gedanken mit großer Tragkraft.

„Die Mauern der Welt hoch“ ist die Neuveröffentlichung eines Klassikers der Science-Fiction. Der unter dem Pseudonym James Tiptree Jr. verfasste Roman der Autorin Alice B. Sheldon ist nun endlich im Septime Verlag neu aufgelegt worden und ist heute immer noch in der Lage Kenner und Fans des Genres zu überraschen. Mit visionären Gedanken, kühnen Annahmen und ausreichend technischem Verständnis ist das Werk definitiv als Pflichtkauf zu bezeichnen.

Details

Bewertung

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