Die rote Halle

von Karla Schmidt
Rezension von Katarzyna Retzer | 22. Januar 2012

Die rote Halle

Von einem Thriller, besonders wenn der Verlag mit einem besonders blutigen Cover lockt, erwartet man besonderen Nervenkitzel. Karla Schmidt wagt sich nun mit "Die rote Halle" zum zweiten Mal aufs Thrillerparkett. Was sich hinter diesem Psychothriller verbirgt und ob er genauso raffiniert ist, wie er verspricht blutrünstig zu sein, wollen wir hier genauer beleuchten.

Die alleinerziehende Mutter Janina Zöllner zieht ihrem Job zuliebe nach Berlin. Als Kostümbildnerin muss sie sich schon in ihrem Stück mit viel Blut, Schweinehälften und einem nicht besonders feinfühligen Vorgesetzten auseinandersetzen. Es soll die letzte Inszenierung in der Karriere des Choreographen Josef Rost werden, der demzufolge an allem etwas auszusetzen hat. Nicht leichter wird ihr das Leben von ihrem pubertierenden Sohn Simon gemacht, der mit dem Umzug gar nicht zufrieden ist und seine Zeit damit verbringt, den leerstehenden Flughafen, welcher als Kulisse für die Aufführung dient, zu erkunden. Doch als ihr ehemaliger Geliebter, der Vater ihres Sohnes, den sie seit sechzehn Jahren nicht mehr gesehen hat, als Tänzer für das Stück engagiert wird und zusätzlich für Spannungen im Team sorgt, ist das Chaos komplett. Auch wenn er sie nicht wiedererkennt, verliebt sie sich wie damals unsterblich in ihn. Nachdem es innerhalb der Crew immer wieder zu Auseinandersetzungen kommt, wird zuerst eine Tänzerin brutal ermordet aufgefunden und auch Rost wird zum Opfer. In dem ganzen Durcheinander kommt Simon zu kurz und findet sich in falscher Gesellschaft wieder, die ihm gröbere Unannehmlichkeiten bereitet. Angefangen von befremdlichen sexuellen Kontakten, Gewalt und schlussendlich einer Entführung bleibt ihm nichts erspart. Auch die restlichen Charaktere scheinen in einer Art persönlichen Hölle, deren Existenz vor sechzehn Jahren begonnen hat, gefangen zu sein. Auch scheint DeeDee, eine Tänzerin mit verletzen Bein, die körperliches und seelisches Leid durch Ritzen zu lindern versucht, eine Ausnahmestellung einzunehmen. Immer wieder eckt sie mit anderen Personen und nutzt jede Gelegenheit, um in Leid zu versinken. Im Wechselbad der Gefühle, in dem auch Janina immer wieder mit der Vergangenheit konfrontiert wird, wird sie am Höhepunkt der so lange unterdrückten Spannungen erpresst, selbst zur Täterin zu werden, wenn sie ihren Sohn retten will. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, in dem Janina nur den Wunsch hat Simon lebend wiederzufinden. Doch auch sein Vater schaltet sich in die Suche ein.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die überforderte, alleinerziehende Janina Zöllner und ihr aus Langeweile in Gefahr geratener Sohn Simon. Beide haben einen abschreckend naiven Eindruck hinterlassen und es kein bisschen geschafft, dass man sich als Leser mit ihnen identifiziert. Nach und nach kommen weitere Akteure auf den Plan, die alle mit einer gemeinsamen Vergangenheit verbunden zu sein scheinen. Jedoch erfährt man zu wenig über die jeweiligen Personen, meistens fallen sie durch unangenehme Charakterzüge auf und lassen nicht durchblicken, was sie wirklich vorantreibt. Die Handlung entwickelt sich vorerst langsam und wird laufend durch Rückblenden unterbrochen, die einen Spannungsaufbau verhindern. Die einzelnen Personen wirken innerhalb der Geschichte labil, handeln oft naiv und sind nicht besonders ausgefeilt, somit werden ihre Handlungen schnell vorhersehbar. Einzig von den äußerst brutalen Verbrechen wird man überrascht, die sehr detailreich und vor allem blutig dargestellt werden. Zusätzlich beinhaltet auch das erwähnte Theaterstück viel Blut und Schweineteile, die in all ihrer Pracht beschrieben werden. Alles macht den Eindruck, als würde die Rahmenhandlung als Kulisse dienen, um möglichst viele erschütternde Begebenheiten unterzubringen, worunter natürlich die Atmosphäre des Thrillers leidet. Auch das Ende birgt keinerlei Überraschungen und die Geschichte endet auch unspektakulär, nachdem natürlich der Sohn gerettet wurde und die Liebesgeschichte noch eine Chance bekommt. Wer einen psychologisch gut überlegten Thriller erwartet, wird schon nach kurzer Lesezeit enttäuscht. Jedoch werden Leser, die sich grausame Szenen gerne in ihren Einzelteilen vorstellen wollen, bedient. Im Besonderen kommt die weibliche Hauptrolle, Janina, von der man Durchsetzungsvermögen und Stabilität erwarten würde, sehr schlecht weg. Leider muss wieder ein Mann als Stütze in Aktion treten, damit sie ihre innere Stärke findet. Auch Simon, ihr Sohn, zeichnet sich durch seine Naivität aus, durch die es erst zur Entwicklung der Geschichte kommen kann. Die am stärksten hervorstechende Figur ist noch DeeDee, die aufgrund ihrer Verletzung ihren Lebenstraum bedroht sieht, und durch ihre entrückte Art und Weise noch die meiste Glaubwürdigkeit ausstrahlt. Geschmückt ist die Geschichte mit einigen Nebenrollen, die stereotyp sind und somit der Erzählung eher eine amüsante Note geben. Nachdem die Geschichte wiederholt aus mehreren Perspektiven erzählt wird und auch in der Zeitlinie hin- und hergesprungen wird, dauert es lang, bis sich der Leser in die Geschichte hineinversetzen kann. Auch werden einige offene Fragen gar nicht beantwortet, die das Ende attraktiver gemacht hätten.

Der Psychothriller "Die rote Halle" von Karla Schmidt, lässt keine Spannung aufkommen und die Charaktere sind auch nicht so weit ausgefeilt, dass der Leser mit ihnen mitfiebern könnte. Wer einen Kick durch Ekel und blutige Beschreibungen sucht, ist mit dem Buch richtig beraten. Wer jedoch einen fein gesponnen Psychothriller lesen möchte, der einen packt, sollte nach einem anderen Buch greifen.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2012
  • Umfang:
    320 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3492272940
  • ISBN 13:
    9783492272940
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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