Mit manchen Romantiteln kann man viel assoziieren. Düstere Begriffe, mythologische Zusammenhänge und uralte Rätsel sind nur einige Möglichkeiten. Andreas Brandhorst und der Heyne-Verlag haben bezüglich des neuesten Roman des Autors offenbar entschieden, dass ein hochtrabender Titel nicht unbedingt nötig ist. So trägt das Werk den Titel "Die Stadt". Ein Begriff, der etwas zu weit gefasst für inhaltliche Spekulationen ist.
Eigentlich will Benjamin Harthmann ein neues Leben beginnen. Gemeinsam mit seiner Frau Kattrin ist er im Auto unterwegs, als ein Lastwagen ihren Neuanfang brutal unterbindet. Denn Benjamin stirbt. Als er danach wieder erwacht, findet er sich allerdings weder im Himmel noch in der Hölle wieder. Er befindet sich in einer Stadt, gemeinsam mit anderen Menschen. Trotzdem bestreitet niemand, dass er und alle anderen tot sind. Nur über den Grund ihres Hierseins wird immer noch diskutiert. Während die einen an eine Art Zwischenwelt glauben, in der geprüft werden soll, ob man wert ist in den Himmel gelassen zu werden, sind die anderen Theorien noch weit haarsträubender. Einer der Anwesenden denkt an ein Experiment von Aliens während ein weiterer die Sache weit wissenschaftlicher angeht. Er glaubt, dass sie durch eine Atomexplosion ums Leben gekommen sind und denkt, dass aus irgendeinem Grund ihre Seelen weiter existieren, in einem Moment gedehnter Zeit. Und die Welt ist seltsam genug. Es gibt einen Supermarkt, in dem die Regale sich selbst wieder nachfüllen, manchmal eine Elektrostunde und jede Menge Monster. Trotzdem gibt es keine Möglichkeit endgültig zu sterben, denn je nachdem wo eine Person "getötet" wird, erholt sie sich wieder unterschiedlich schnell. Als sich Benjamin mit den Mächtigen dieser Stadt anlegt, wird er verbannt. Und doch scheint vieles was passiert mit ihm persönlich zusammenzuhängen. Ist er in der Lage diese Verknüpfungen aufzuklären und die Stadt zu verlassen?
Obwohl Andreas Brandhorst schon seit vielen Jahren als Autor tätig ist, ist er beinahe genauso bekannt für seine Übersetzungen der Romane von Terry Pratchett. Doch seit seinem Bestseller ""Äon"" sehen ihn viele Leser etwas anders, insbesondere da er mit diesem leidlich erfolgreich versucht hat, das "Dan Brown-Leserpotenzial" zu nutzen. Insofern ist es für zahlreiche Leser sicher überraschend, dass "Die Stadt" weit mehr in Richtung Science-Fiction und Fantasy geht. Denn eine postapokalyptische Stadt, in der Menschen ebenfalls post mortem leben, ist ein völlig anderer Ansatz. Allerdings ist es über weite Strecken gelungen das Szenario nicht nur glaubwürdig zu halten sondern auch Leser und Charakter über die wahre Natur des Orts im Unklaren zu lassen. Lediglich das Ende des Werks weist ein paar Schwächen auf, könnte man als etwas misstrauischer Leser doch annehmen, dass der Autor angehalten wurde, den Roman letztendlich doch als "fortsetzbar" anzulegen. Doch davon einmal abgesehen ist das Buch leidlich unterhaltsam, spannend und vor allem stilistisch gut gelungen. Jeder gelegentlicher Leser von mysteriösen und phantastischen Werken kann genauso gerne zugreifen wie ein Fan guter Science-Fiction. Aus allen Genres gibt es genügend Elemente, die das Buch lesenswert machen. Und auch der Preis von 14 Euro ist für einen Roman mit fast 600 Seiten nicht überdimensioniert.
"Die Stadt" ist zwar ein Roman mit nicht wirklich aussagekräftigem Titel, enthält aber eine wirklich spannende und unterhaltsame Geschichte. Das Buch erzählt von Alternativwelten, dem Tod und widmet sich unter anderem auch der Frage, ob die Kirche auch versucht im Jenseits Fuß zu fassen. Wie die Antwort lautet und ob man für immer tot bleibt, nachdem man stirbt, kann man nur durch die Lektüre dieses Werks erfahren. Einer Herausforderung, der man sich stellen sollte, denn es ist nicht nur für Leser einschlägiger Genres zu empfehlen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:03/2011
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Umfang:592 Seiten
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Typ:Hardcover
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ASIN:345352764X
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ISBN 13:9783453527645
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Preis (D):14 €