Der Clan der Otori

Die Weite des Himmels

von Lian Hearn
Rezension von Janett Cernohuby | 13. April 2011

Im Bereich Literatur besteht eine Trilogie schon lange nicht mehr aus nur drei Bänden. Besonders dann, wenn sich die ersten drei Bücher sehr gut verkauften, die Fans mit dem Ende nicht zufrieden waren und glaubten, es fehle was - oder wenn beide Fälle zutrafen. Lean Hearns Trilogie "Der Clan der Otori" gehört zweifellos in beide Kategorien, war doch das Ende des dritten Bandes abrupt und ließ manches offen. So überrascht es nicht wirklich, dass nun der fünfte Band mit dem Titel "Die Weite des Himmels" erschien.

Allerdings ist dieser Band vor den Ereignissen des ersten Buchs einzuordnen. Denn der Leser findet sich zu Beginn in einem kleinen Bergdorf wieder und beobachtet, wie Kikuta Isamu von seinem Cousin Kotaro getötet wird - als Strafe für das Verlassen des Stammes. Doch dann verlagert die Autorin den Schauplatz des Geschehens nach Hagi, wo Otori Shigeru als Clanerbe aufwächst. Er wird dazu erzogen, seinem Vater nachzufolgen und einmal das Oberhaupt des Clans zu sein. Doch schon bald wird ihm klar, dass sein Vater unsicher in seinen Entscheidungen ist und dass dies von seinen Onkeln für ihre Zwecke ausgenutzt wird. Als die Thoan in das Gebiet der Otoris einfallen und die Sekte der "Verborgenen" niedermetzelt, trifft Shigeru seine erste, weitreichende Entscheidung. Unter einem Vorwand verlässt er Hagi und weist die Tohan in ihre Schranken. Doch das Clanoberhaupt ist zutiefst beleidigt und sinnt auf Rache. Diese erfolgt viel zu früh in Form eines Krieges, der berühmten Schlacht von Yaegahara. Durch Betrug und Verrat verlieren die Otori diese Schlacht und auch Shigerus Vater kommt in ihr ums Leben. Doch dem nicht genug: Das Clanoberhaupt der Thoan verlangt, dass Shigeru auf seine Stellung verzichtet und an seiner Stelle seine Onkel den Clan führen. Widerwillig stimmt der junge Krieger dem zu und beginnt im Geheimen seine Rache zu planen. Denn die Schlacht von Yaegahara hat ein Gutes hervorgebracht: Shigerus Freundschaft zu Muto Kenji, einem der wichtigsten Männer im Stamm. Und während Shigeru auf seine Rache wartet, geht er noch einem weiteren Geheimnis nach. Sein Vater hatte vor vielen Jahren eine geheime Affäre zu einer Frau aus dem Stamm. Aus dieser Verbindung ging ein Kind hervor, welches Shigeru zu finden und für seine Pläne zu verwenden beabsichtigt ...

Als "Monumentalwerk" wurde der fünfte Band der Otori-Saga bezeichnet. Und tatsächlich ist es Lian Hearn gelungen, den Anfang (der auch gleichzeitig das Ende darstellt) der Reihe episch zu gestalten. Wir alle (sofern man bereits die Otori-Reihe gelesen hat) kennen die Ereignisse um die Schlacht von Yaegahara, das Verwandschaftsverhältnis zwischen Shigeru und Takeo. Trotzdem ist dieser Roman unverzichtbar, beleuchtet er diese Hintergründe genauer, zeigt die Beziehungen der einzelnen Charaktere deutlicher und bringt auch Licht in Shigerus Wesen und Vergangenheit. So gibt es kaum Handlungspersonen, die man nicht schon in den vier Bänden der Trilogie getroffen hat. "Die Weite des Himmels" schließt also den Kreis, der den Kampf um das Mittlere Land darstellt.
Doch dieser Band vermag noch etwas, was der vierte Band nicht schaffte: Er lässt den Leser wieder ganz in die Geschichte der Drei Länder eintauchen. Die Charaktere sind lebendig, echt; die Orte und Schauplätze erwachen vor dem inneren Auge wieder zum Leben. Wirkten die Geschehnisse im vierten Band teilweise sehr erzwungen und aufgesetzt, ist es in diesem fünften Buch wieder ganz anders. Alles wirkt glaubhaft und stimmig, keineswegs erzwungen. Lian Hearn hat also ganz an die drei ersten Bände anknüpfen und ihren Fans einen spannenden und fesselnden Roman liefern können.
Doch sie konnte (leider) auch wieder etwas anderes: sich verzetteln. Zumindest wirkt es auf den Leser erneut so. Erinnern wir uns zurück. In den drei ersten Bänden war die Rede von einer Prophezeiung. Wer nun auf deren Erfüllung wartete, wurde am Ende des dritten Bandes etwas enttäuscht. Es war kein Platz mehr für die Prophezeiung und so wurde sie in wenigen Sätzen mit einem "was wäre wenn" abgetan. Nun, in "Die Weite des Himmels" ist es Shigerus Bruder, der die Autorin etwas ins Schwitzen brachte. Denn plötzlich tauchte Tomasu/Takeo auf und - erinnern wir uns. Eigentlich war Takeshi zu diesem Zeitpunkt ja bereits tot. Nun, kein Problem. Er wird einfach kurz vor dem Ende in eine Rauferei verwickelt und kommt ums Leben. - So mancher Leser wird an dieser Stelle vermutlich aufstöhnen. Aber vielleicht muss es so sein, vielleicht braucht die Reihe einfach diese kleinen Verstolperer.
Noch etwas: Wer bisher "Der Clan der Otori" noch nicht gelesen hat, sollte dennoch mit "Das Schwert in der Stille" beginnen. Nicht etwa, weil man für den fünften Band Vorwissen benötigt - nein, auch Quereinsteiger können dieses Buch lesen. Man sollte vielmehr daher mit dem ersten Band beginnen, da man sonst zu viel Vorwissen besitzt und so einige Dinge zu früh weiß, was den Zauber der ursprünglichen Trilogie mindert.

Kurzgefasst: "Die Weite des Himmels" ist ein hervorragend gelungener abschließender Roman der Otori-Saga. Fesselnd und mitreißend schildert sie die Ereignisse vor dem Auftreten Takeos. Der Band erzählt von Shigerus Jugend, seiner Freundschaft zu Muto Kenji, der berühmten Schlacht von Yaegahara und natürlich der Suche nach Takeo. Für Fans der Reihe ist dieses Buch einfach ein Muss.

Details

  • Autor*in:
  • Band:
    5
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    03/2011
  • Umfang:
    752 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783548269054
  • Preis (D):
    9,95 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: