Proteo Laurenti

Die Zeitungsfrau


Commissario Laurenti in schlechter Gesellschaft
von Veit Heinichen
Rezension von Manfred Weiss | 22. August 2016

Die Zeitungsfrau

Krimireihen sind immer eine zweischneidige Angelegenheit. Man freut sich darauf, vertraute Personen und Erzählweisen wieder zu treffen, aber gleichzeitig kann die Bürde für den Autor, regelmäßig Neues zum Altgewohnten zu berichten, groß werden. Zum einen ist ja der neue oder vergessliche Leser in alles einzuweihen was bisher geschah und für den neuen Fall relevant ist, andererseits aber soll der treue Leser nicht mit Harry Potter-haften Wiederholungen gelangweilt werden. Und so ist es immer mit Freude, aber auch einer gewissen Zurückhaltung verbunden, einen neuen Band einer vertrauten Reihe in Händen zu halten.
Nach starkem Beginn hatten auch die Krimis rund um Commissario Proteo Laurenti schon ihre Höhen und Tiefen. So kommt diese Spannung der Ungewissheit zur Handlung selbst hinzu.

Laurenti bekommt es in seinem neunten Fall mit einem Rätsel aus einer fünfundzwanzig Jahre zurückliegenden Vergangenheit zu tun. Diego Colombo, ein aus Argentinien stammender Flüchtling war zur Zeit des Falkland-Krieges in seinem Segelboot in Triest angekommen und hatte die Herzen zahlreicher Triesterinnen im Sturm erobert. Geheiratet hatte er aber Teresa Fondo, die Zeitungsfrau von der Piazza San Giovanni. Allerdings war er auch ein gewiefter Kunstdieb und Handlanger von Lino La Rosa, einem korrupten Maresciallo der Finanzpolizei.
Bei seinem letzten Raubzug kam Diego bei einer Explosion ums Leben. Doch jetzt, fast fünfundzwanzig Jahre danach, passiert wieder ein Raubzug nach Diegos Schema. Die drei Kinder der Zeitungsfrau sehen alle Diego ähnlich, obwohl doch nur der älteste Sohn zu Lebzeiten Diegos geboren wurde. Und da ist auch noch Raffaele Maran, der Argentinier, der die Markthalle leitet und dessen Fingerkuppen bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind.
So beginnen Laurentis Ermittlungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, in einem dichten Netz aus traumatischen Erlebnissen, Intrige und Korruption.

Veit Heinichen gelingt es in seinem neuen Roman, wie so oft, ein lebendiges Bild von Triest zu zeichnen. Proteo Laurenti hat sein schon seit vielen Romanen vertrautes Personal wieder versammelt. Von Marietta, der rechten Hand des Commissarios in der Questura, bis zu Pina, der kalabrischen Inspektorin ist genauso wieder mit dabei, wie Ehefrau Laura und der Rest der Familie.
Heinichen nutzt den Roman auch als Hymne an seine reale Lieblingsbar in Triest, der Gran Malabar. Spätestens nach “Die Zeitungsfrau” wird kein treuer Leser von Heinichen, wenn er mal in Triest ist, mehr um einen Umtrunk in der Malabar herumkommen.
Die Handlung, die er vor dem oben beschriebenen Hintergrund entwirft, ist spannend und facettenreich. Voller Nebenhandlungen, die zu erzählen auf den 350 Seiten kaum Zeit bleibt. Auch die Details zu einzelnen Themen, seien es Numismatik oder die Rolle von Montenegro als mehr und mehr unsicher werdender Schwarzgeldhafen wirken profund recherchiert.
Erfreulicherweise verzichtet Heinichen darauf, jedes der aufgeworfenen Rätsel fertig aufzulösen, jeden begonnen Erzählstrang zu Ende zu verfolgen. Trotz dieser Vielfalt spielt der Roman nämlich insgesamt nur im kurzen Zeitraum der letzten Tage des zu Ende gehenden Sommerurlaubs Laurentis.
Ein wenig eindimensional wirkt dafür die Beschreibung von Teresa Fondo selbst, der scheinbar alle Männer bei ihrem Anblick verfallen, während die anderen Frauen sie ob ihrer Anziehungskraft auf die Männer hassen, verachten oder beneiden. Das Bild, das Heinichen damit zeichnen will, ist leicht nachvollziehbar, erinnert es doch an alte italienische Filme. So richtig zeitgemäß ist es allerdings nicht mehr. Aber mit Sophia Loren oder Gina Lollobrigida vor dem geistigen Auge tut man sich zumindest leicht, sich die Zeitungsfrau von der Piazza San Giovanni vorzustellen.

“Die Zeitungsfrau” ist ein Roman für alle Freunde Triests, ebenso wie die zahlreichen Fans Proteo Laurentis oder generell gut gestrickter Kriminalromane. Am besten folgt man dem Geschehen in einem schnellen, eifrigen Durchlesen. Die Vielzahl der Handlungsstränge und Nebenschauplätze kann beim Zerteilen in allzu viele Leseteile doch zerrissen wirken.
Natürlich ist das Buch auch wieder ein Appetitanreger für einen Besuch in Triest selbst und seine kulinarischen Genüsse.
Wer starke Sprüche, eine actiongeladene Handlung oder einen supercoolen, harten Inspektor sucht, ist bei dem Roman jedoch falsch.
Laurenti ist mehr der bedächtige, manchmal sarkastische Ermittler mit einem starken Hang zu Familie, gutem Essen und natürlich zu seiner Lieblingsbar. Da dürfen auch Gattin und Wirt schon mal ein wenig bei den Ermittlungen behilflich sein. Einzelgänger sehen anders aus.

Details

Bewertung

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