Romane, die historische Begebenheiten zum Thema haben, welche in Wirklichkeit aber nur zur Illustration eines philosophischen Hintergrunds oder einer einfachen Parabel dienen, gibt es einige, auch wenn dies nicht immer gleich so offensichtlich zu erkennen ist. Bei Sascha Hupachs im bukstor-Verlag erschienenen Werk "Die Mauern von Thunst" werden hingegen gleich am Umschlag der komplette Inhalt und die Deutung mitgeliefert. Davon lässt sich ein routinierter Kritiker aber nicht abschrecken.
Nach seiner abgeschlossenen Ausbildung begibt sich der junge Schuster Michel wie vorgesehen auf die Walz - also auf die Wanderschaft - um Berufspraxis zu sammeln und um sich später zum Meister prüfen lassen zu können. Sein Ziel ist die württembergische Stadt Baden, die ihm auch sein Vater empfohlen hat. Doch dort gibt es gerade Unruhe in den Zünften, so findet er keine Arbeitsstelle. Zufällig trifft er einen anderen jungen Schuster, der ebenfalls nach einer Stelle sucht. Dieser heißt Peter und erzählt davon, dass ihm ein anderer fahrender Handwerker von der Stadt Thunst erzählt hätte, in der man sicher eine Stelle bekommen würde. Davon überzeugt machen sich die beiden auf den Weg, stellen aber fest, dass es nicht die Stadt Thunst ist, zu der sie müssen, sondern die gleichnamige Burg. In dieser hat der Orden des St. Michael seine Zelte aufgeschlagen. Doch trotz seines Titels handelt es sich um keinen kirchlichen Orden, sondern um einen, der sich die Ziele des heiligen Michael zu Eigen gemacht hat. Als sich herausstellt, dass sie dort bleiben können, muss jeder für sich eine Entscheidung treffen. Für ein Leben, das sich mit philosophischen Fragen auseinandersetzt und ein höheres Ziel hat, oder ein einfaches Leben als Schuster...
Man kann nicht sicher sein, in welcher Zeit der Roman genau angesiedelt sein soll. Denn in der Bibliothek liest der spätere Schreiber Michel Bücher, die erst Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Andererseits kommt der Protagonist in Baden vorbei, in dem seit den 1860er Jahren eine Eisenbahnlinie fährt, von der aber nicht die Rede ist, obwohl er über die Stadt staunt. Aber wie schon in der Einleitung erwähnt, geht es in diesem Buch weniger um die tatsächliche Erzählung, sondern mehr um die Kernaussage, auf die ja auch schon in einer Interpretation am Einband eingegangen wird. Der Verfasser dieser Rezension möchte die Aussage allerdings anders deuten, denn offenkundig geht es weniger um einen Sinn des Lebens in einer geliebten Suche nach "Menschlichkeit in Bruderschaft", sondern eher darum mit aller Kraft nach den Zielen seiner eigenen moralischen Überzeugung zu streben. Erzähltechnische Schwachstellen, wie die Tatsache, dass die beiden Charaktere Michel und Peter - später Friedjof und Dali -, schon nach zwei Tagen so tiefe Zuneigung zueinander verspüren, dass sie den anderen nicht allein lassen wollen und für einander Tränen vergießen, kann man daher eigentlich im Hintergrund belassen. Doch trotz des zugegebenermaßen ansprechenden Schreibstils des Autors bleibt während des Lesens stets im Hinterkopf, dass es eigentlich nur um eine Parabel geht, bei der von Rechts wegen der Inhalt der Geschichte eigentlich nur Beiwerk ist. Aus diesem Grund kann das Werk leider nicht besser als durchschnittlich eingestuft werden. Liebhaber von Literatur mit philosophischen Hintergründen können hier trotzdem mit gutem Gewissen zugreifen.
Wer in Sascha Hupachs Werk "Die Mauern von Thunst" ein Fantasywerk vermutet, könnte nicht falscher liegen. Denn in Wahrheit handelt es sich um historischen Inhalt mit philosophischen Ingredienzien. Da letztere aber den Schwerpunkt darstellen, ist das Werk eher nur für Leser geeignet, die eine solche Thematik bevorzugen, obwohl am Schreibstil des Autors nichts auszusetzen ist.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:08/2008
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Umfang:272 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ISBN 13:9783941102026
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Preis (D):9,95 €