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Richtplätze, auf denen in vergangenen Jahrhunderten Menschen die Strafe der Gerechtigkeit erfuhren, lagen meist außerhalb und wurden von der Gesellschaft grundsätzlich eher gemieden. In unserer Zeit ist eher das Gegenteil der Fall, strömen doch auf den einstigen Richtplatz Stuttgarts, dem Wilhelmsplatz, zahlreiche Besucher um dort das sogenannte Henkersfest zu zelebrieren. "Henkersfest", das ist auch der Titel von Stefanie Wider-Groths fünftem Roman über den Kommissar Reiner Emmerich.

Das Stuttgarter Henkersfest ist in vollem Gange und mittendrin auch Kommissar Emmerich. Doch lange kann er weder das Fest noch den Abend mit seiner Frau genießen, wird er schon nach kurzer Zeit zum Schauplatz einer Messerstecherei nahe des Festplatzes gerufen. Bei dem Toten handelt es sich um Bernd Schlaicher, dessen Schwester sich nach vielen Jahren mit ihm auf dem Henkersfest treffen wollte, aber noch nichts vom gewaltsamen Tod ihres Bruders ahnt. Es soll auch noch etwas dauern, bis sie diese Nachricht erreicht.
Gleichzeitig laufen für Emmerich und sein Team die Ermittlungen an. Ein Täter scheint schnell gefunden, doch als dieser ebenfalls ermordet aufgefunden wird, nimmt der Fall eine Wendung. Eine erste Spur führt die Ermittler ins Rotlichtmilieu, doch bald erkennen sie, dass dies eine Sackgasse ist. Tatsächlich operieren die dubiosen Gestalten, die hinter beiden Morden stecken, auf einem ganz anderen Gebiet. Dabei geht es um Häuser, Seniorenheime und ein ganz spezielles Objekt, das der Familie Schlaicher gehört...

Mit einer spannenden, wenngleich nicht übermäßig fesselnden Handlung entführt Stefanie Wider-Groth ihre Leser in einen neuen Fall ihres Kommissars Emmerich. Durch ihren lockeren und flüssigen Schreibstil gelingt es der Autorin, ihre Leser rasch in die Handlung eintauchen zu lassen. Auch wer zum ersten Mal einen Emmerich-Roman liest, wird keine Probleme haben, sich in die Ereignisse und vor allem in die Ermittlerarbeit zu vertiefen. Vorkenntnisse der Handlungsfiguren rund um Emmerich sind sicherlich hilfreich, aber nicht zwangsläufig erforderlich. Die wichtigsten Eckpunkte bekommt man schnell beim Lesen mit.
So kann man sich voll und ganz auf die eigentliche Handlung konzentrieren, bei der man es mit ziemlich miesen Typen zu tun bekommt. Damit sind nicht unbedingt zwielichtige Gestalten gemeint. Mies bezieht sich eher auf die Art, wie bestimmte Romanfiguren mit den Senioren eines kleinen, privaten Altersheims umgehen. Wie sie versuchen, die alten Damen abzuzocken und in irgendein Heim, fern der Heimat abzuschieben. Hier ist es der Autorin besonders gut gelungen, Gefühle, Ängste und Sorgen der alten Damen einzufangen und dem Leser zu präsentieren. Abgeschoben in einem Heim - Textstellen, die unter die Haut gehen und die einen beim Lesen kurz innehalten und nachdenken lassen.
Doch im Vordergrund steht trotzdem der Fall rund um die Messerstecherei und den als Selbstmord getarnten Mord. Wie passen die einzelnen Puzzleteilchen zusammen? Worauf läuft alles hinaus und welche Rolle spielen die Senioren in dem ganzen? Diese Fragen werden allmählich in der zweiten Hälfte des Romans beantwortet. Denn hier kommt eine (kleine) Wende und die Ermittler wechseln vom Rotlichtmilieu auf den Immobilienmarkt.
Das Buch weiß zu unterhalten, die Handlung macht neugierig und man möchte durchaus wissen, wie alles zusammenpasst und endet. Auch die Charaktere sind sympathische, blutvolle Gestalten. Dennoch gelingt es Stefanie Wider-Groth nicht vollends, große Spannung aufkommen zu lassen. So plätschert die Handlung eher langhin, die Ermittler gehen ihrer Arbeit nach und kommen irgendwann hinter das Geschehen.