Neunzehn Minuten - das sind etwas mehr als eine Viertelstunde und etwas weniger als eine halbe Stunde. In neunzehn Minuten kann man vieles tun. Man kann Plätzchen für den Kindergeburtstag backen, man kann sein Auto waschen, einen Spaziergang unternehmen oder ein Spiel spielen. In neunzehn Minuten kann man aber auch die Welt stillstehen lassen und das Leben zahlreicher Mitmenschen zerstören. Von letzterem erzählt auch Jodi Picoults Roman "Neunzehn Minuten".
Alles beginnt als ein ganz normaler Tag. Während sich Bezirksrichterin Alex Cormier auf den Weg zum Gericht macht, beginnt für ihre Tochter Josie und zahlreiche andere Schüler der Sterling Highschool ein weiterer Schultag. Doch dann, um 10 Uhr, soll sich für sie alles verändern. Denn während Josie und ihre Freunde eine Freistunde in der Cafeteria verbringen und Zoe den Unterricht wegen eines Termins beim Kieferorthopäden verlässt, ertönen auf einmal Schüsse im Schulgebäude. Ein Amokläufer feuert mit einer Pistole wild um sich, tötet bedenkenlos zehn Mitschüler und verletzt zahlreiche weitere.
Von dem Ausmaß weiß Lacy Houghton noch nichts, als sie die Nachricht über den Amoklauf an der Schule ihres Sohnes erreicht. Wie viele andere Eltern macht sie sich sofort auf den Weg zum Unglücksort, mit der Hoffnung, ihr Sohn sei noch am Leben. Doch als sie eine der Schülerinnen nach ihm fragt, erhält sie eine Antwort, mit der wohl keine Mutter rechnet: "Er ist der, der schießt."
Bereits mit "Beim Leben meiner Schwester" hat die amerikanische Autorin Jodi Picoult ein brisantes wie auch aktuelles Thema aufgegriffen. "Neunzehn Minuten" steht diesem Werk in nichts nach. Noch zu gut sind uns die Bilder der letzten Schulmassaker aus Deutschland und den USA in Erinnerung. Noch zu gut wissen wir, welche Details nach den Bluttaten offen gelegt wurden. Doch Jodi Picoult geht es nicht darum, diese Erinnerungen aufzufrischen und mit Sensationsgier und Voyeurismus dieses Thema als Psychothriller aufzuarbeiten. Im Gegenteil. Die Autorin erzählt bis ins kleinste Detail von den Menschen, die in dieses Massaker hineingezogen werden - begonnen beim Täter und den Opfern, über deren Familien, Angehörige bis hin zu Polizei und Justiz. Sie setzt sich mit dem "Warum" für eine solche Tat auseinander, was kein leichtes Unterfangen ist. Damit ihr das gelingt, lässt sie mehrere Personen im Roman zu Wort kommen, deren Handlungen miteinander verbunden sind. Durch regelmäßige Rückblicke in die Vergangenheit, besonders in das Heranwachsen von Josie und dem späteren Amokläufer Peter, beschreibt sie einfühlsam die Probleme der Kinder. Besonders Peter wurde niemals von seien Mitschülern akzeptiert und so zu jeder Gelegenheit schikaniert. Freilich bedient sich die Autorin hier gerne der üblichen Merkmale solcher Amokläufer, wie der Ausgrenzung durch Klassenkameraden, keiner Freunde und nicht zuletzt der Killerspiele. Trotzdem, oder gerade deswegen, besticht der Roman durch seine ergreifende Sprache und seinen Ausdruck, ebenso der Art, wie Jodi Picoult die Handlung erzählt. Der Leser wird hin- und hergerissen zwischen den Schicksalen der Opfer, aber auch dem des Täters. Denn trotz allem was Peter getan hat, bedauert man ihn und empfindet Mitleid. Letzteres weitet sich auch auf seine Eltern aus, die ja ebenso aufgrund der Tat ihres Sohnes unter Schock stehen, wie alle anderen. Auch fragt man sich, ob Eltern nicht auch zu den Opfern zählen. Freilich wird ihnen schnell vorgeworfen, in der Erziehung versagt zu haben - doch haben sie das wirklich? Der Leser wird dieses Urteil keineswegs so einfach fällen können.
"Neunzehn Minuten" von Jodi Picoult ist ein Roman, der auch nach Beendigung der Lektüre noch eine Spur hinterlässt. Man wird ihn nicht so leicht zur Seite legen, wie manch anderen Thriller. Jodi Picoult ist es gelungen, eine fiktive Handlung zu schildern, die aber so ähnlich schon viel zu oft Wahrheit wurde. Das Buch berührt, regt zum Nachdenken an und ist ein Appell an alle.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:05/2009
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Umfang:480 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ISBN 13:9783492253987
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Preis (D):8,95 €