No & ich

von Delphine de Vigan
Rezension von Emilia Engel | 19. Juni 2017

No & ich

Das Leben als Teenager ist nie einfach. Für einen Introvertierten ist die Sache noch mal um einiges schwieriger. Doch manchmal, wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere und wir bekommen die Möglichkeit etwas zu verändern. Wer kennt das nicht: Es bietet sich eine Chance jemand anderem zu helfen und später stellt sich heraus, dass man damit auch sich selbst geholfen hat. In dem Buch „No & ich“ von Delphine de Vigan folgen wir der jungen Lou Bertignac durch eine schwierige, aber auch spannende Zeit in ihrem Leben.

Lou ist ein dreizehn Jahre altes Mädchen mit einer überdurchschnittlich hohen Intelligenz. Dadurch konnte sie schon mehrere Klassen überspringen. Doch Lou ist introvertiert und schüchtern, was es ihr schwermacht, soziale Kontakte zu knüpfen.
Durch ein tragisches Familienunglück ist ihre Mutter nicht mehr in der Lage, sich liebevoll und fürsorglich um ihre Tochter zu kümmern. Lous Vater tut sein Bestes um dies auszugleichen, dennoch fühlt sich Lou ungeliebt und einsam. So entwickelt sie viele Eigenheiten und vertreibt sich die Zeit mit kleinen Experimenten und Beobachtungen. Vor allem liebt sie es die Menschen zu beobachten und wie sich deren Gefühle auf den Gesichtern widerspiegeln.
Ein Referat in der Schule sorgt dafür, dass sie ihre persönlichen Grenzen überschreiten muss. Als Referatsthema nimmt sie sich die Obdachlosigkeit junger Frauen in ihrer Heimatstadt Paris. Dazu will sie ein Interview mit einer jungen Obdachlosen führen. So lernt sie die 18jährige No kennen, die ihr davon berichtet, wie es auf der Straße zugeht.
Lou, die immer sehr viel über alle möglichen Dinge nachdenkt, fragt sich wie es sein kann, dass eine Gesellschaft so viele unmögliche Erfindungen und Entdeckungen machen kann, aber es gleichzeitig zulässt, dass Menschen auf der Straße leben und dort sterben. Also beschließt sie No zu helfen und hofft damit auch ihre Familie zu retten. Neue Freundschaften entstehen und das Leben wie es war beginnt sich langsam zu verändern...

„No & ich“ ist eine berührende Geschichte, die man gut in einem Schwung durchlesen kann. Der Schreibstil ist aus der Ich-Perspektive und einfach gehalten, was allerdings gut zum Buch passt. Es zeigt, dass die Protagonistin trotz ihrer Reife doch noch sehr jung und in einigen Dingen sehr naiv ist. Doch diese Naivität ist auch charmant – zeugt sie doch von einer gewissen Unschuld, die im Zuge des Erwachsenwerdens verlorengeht. Wo man als Erwachsener resigniert sagen würde, da könne man nichts machen oder das lasse sich nun mal nicht ändern, versucht Lou es eben doch.
Zum einen haben wir den Teil der Geschichte, in der es um einen Verlust geht, der das Leben von Lous Familie über Jahre komplett aus dem Gleichgewicht bringt. Hier zeigt sich wie jedes Familienmitglied mit diesem Drama umgeht. Leider muss das Mädchen nicht nur an dem Verlust leiden, sondern auch damit zurechtkommen, wie die Eltern damit umgehen. Das lässt sie ziemlich alleine dastehen und ist sicher mit Schuld daran, dass es ihr schwerfällt Freunde zu finden und mit Menschen in Kontakt zu treten.
Zum anderen haben wir die Problematik der wachsenden Obdachlosigkeit, über das Lou in ihrem Referat berichten will. Wie leicht man da hineinrutschen kann, wie schwierig es ist da wieder hinauszukommen und was es bedeutet, obdachlos zu sein. Andererseits geht es auch um die Blindheit der Menschen. Die „normalen“ Menschen, die tagtäglich an Obdachlosen und Bettlern vorbeigehen, ohne diese wirklich wahrzunehmen. Menschen wie wir, die täglich drei Mahlzeiten bekommen, ein Dach über dem Kopf haben und im Winter nicht frieren müssen. Wie können wir all das seelenruhig tun - tagtäglich - ohne daran zu denken, dass andere Menschen zur selben Zeit nichts haben, Hunger leiden und auf der Straße sterben ohne dass jemand um sie weint?

Das Buch handelt von der Hoffnung, dass man die Welt verändern und das Leben anderer verbessern kann und auch soll. Es zeigt, dass man manchmal seine Komfortzone verlassen muss um sein Leben umzukrempeln. „No & ich“ kann man jedem empfehlen, der selbst mal wieder die Welt verbessern möchte und dazu einen Anstoß in Form eines leicht zu lesenden Buches über ein so schwieriges Thema braucht. Da das  Werk jedoch an mancher Stelle ziemlich bedrückend ist, ist es eher erst ab einem Alter von 14 Jahren zu empfehlen.

Details

  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    06/2010
  • Umfang:
    256 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783426501580
  • Preis (D):
    9,99 €

Bewertung

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