Es ist mit Sicherheit eine unbeschreibliche Erfahrung und ein Privileg, einer Zivilisation anzugehören, die gerade den nächsten großen Entwicklungsschritt macht. Ob es sich um die Entdeckung eines neuen Kontinents, der Beginn der Massenproduktion oder gar der Aufbruch ins Weltall ist, all dies sind Momente in denen Geschichte geschrieben wird. Sollte die Menschheit die Gelegenheit bekommen sich weiterzuentwickeln, stehen ihr noch mehrere dieser Schritte bevor. So wie in „Okular“, dem neuen Roman von Alastair Reynolds.
Geoffrey ist so etwas wie ein Unikat. In einer Zukunft, in der alles nach höherer Technisierung strebt, beschäftigt er sich mit dem Verhalten von Elefanten. Aber auch seine Schwester Sunday führt ein alles andere als gewöhnliches Leben. Auf dem Mond frönt sie ihrer Leidenschaft als Künstlerin, obwohl sie längst nicht jenen Status erreicht hat, den sie anstrebt. Alles ändert sich, als ihre Großmutter Eunice stirbt. Das Oberhaupt der Familie Akynia hat nach vielen Jahrzehnten Pionierarbeit im Bereich der Raumfahrt den familieneigenen Konzern aus einer Raumstation im Orbit der Erde geleitet. Doch kurz nach ihrem Begräbnis wird Geoffrey von den Zwillingen Lucas und Hector – den designierten neuen Familienoberhäuptern – um einen Gefallen gebeten. Er soll eine Hinterlassenschaft seiner Großmutter untersuchen. Weder er noch seine Schwester ahnen, dass dies der Auftakt einer interplanetaren Schnitzeljagd ist, die sie nicht nur auf den Mars, sondern an ganz andere Orte führen soll. Und genauso wenig ahnen sie, wie dadurch die Situation zwischen ihnen und den Cousins eskaliert. Eine große Rolle dabei spielt ein gewaltiges Teleskop mit dem Namen „Okular“. Wie aus dem Grab heraus ist es ihre Großmutter, die alle Schritte der verschiedenen Beteiligten orchestriert.
Leser die Alastair Reynolds schon länger kennen, haben vermutlich ihre Vorstellungen, wie ein neuer Roman von ihm aussehen soll. Ein erster Teil einer großen Space-Opera, die Jahrhunderte überbrückt und in der Unsterbliche zwischen den Sternen reisen. Tatsächlich könnte der Roman „Okular“ der Startschuss zu einem derartigen Abenteuer sein – aber zuallererst ist, wie schon in der Einleitung angedeutet, der erste Schritt einer ganzen Zivilisation in ein neues Zeitalter, welcher durch das titelgebende Werkzeug ermöglicht wird. Und diese Aufbruchsstimmung, das Potenzial derselben, trägt den ganzen Band, der sonst durchaus seine Längen hat. Man weiß, dass da draußen mehr ist und dass die Protagonisten – obwohl eigentlich nicht unbedingt Forscher und Entdecker – es in der Hand haben, der Menschheit einen neuen Weg zu offenbaren, der sie von ihrer totalen Selbstkontrolle durch eine Maschinenentität entfernt und neue Türen aufstößt. Insofern ist „Okular“ vermutlich nicht der beste oder spannendste Roman von Alastair Reynolds, aber er stellt wieder eine Steigerung dar. Insofern kann man das Werk allen seiner Fans ans Herz legen. Vielleicht stellt der aktuelle Roman tatsächlich einen Neustart dar, der erst im zweiten Band die wahren Früchte trägt. Es wäre in jedem Fall wünschenswert.
„Okular“ ist ein neuer Roman von Alastair Reynolds, der möglicherweise den Start einer neuen, erfolgreichen Reihe markiert. Obwohl ihm eine gewisse Langatmigkeit innewohnt, lebt das Werk von seiner Aufbruchsstimmung. Von einer menschlichen Zivilisation, die ihre Grenzen viel weiter nach außen verlagern können. Und einem Plot, der noch eine ganze Menge weiterer Möglichkeiten verspricht. Man kann nur hoffen, dass diese auch tatsächlich Realität werden.
Details
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Erschienen:11/2016
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Umfang:816 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ISBN 13:9783453317543
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Preis (D):9,99 €