The Chemist - Die Spezialistin

von Stephenie Meyer
Rezension von Sandra Kolbinger | 23. Januar 2017

The Chemist - Die Spezialistin

Wer kann sich nicht an die Romanze des unsterblichen Edward und der menschlichen Bella erinnern? An die kitschig geratene Verfilmung und die hitzigen Diskussionen, welche die Menschheit gefühlt in zwei Lager gespalten hat – jene der Fans und jene der „Twilight“-Hasser. Doch ging diese Debatte hauptsächlich von der visuellen Umsetzung aus und weniger von Meyers eigenem Werk, den Texten. Und dabei gilt zu beachten, man kann über die Inhalte sagen, was man will, schreiben kann sie und ihre Leserschaft holt sie jedes Mal ab. Und so auch bei ihrem neuesten Titel „The Chemist – Die Spezialistin“.

Doch dieses Mal geht es nicht wie bei „Twilight“ und „Seelen“ um ein Mädchen, respektive um eine junge Frau, die in ein neues Umfeld gerät, sich nicht zurechtfindet und schließlich verliebt – zwei Mal, in zwei Männer. Nein, stattdessen haben wir es in diesem Fall mit einer Expertin zu tun, die genau weiß, was sie tut und keinesfalls überfordert ist. Alex war in ihrem früheren Leben Verhörspezialistin für ein geheimes US-Dezernat und die Beste auf ihrem Gebiet. Und das blieb sie auch, nachdem sie vor ihren eigenen Kollegen fliehen musste. Irgendwann hatte sie wohl zu viel gehört und sollte ausgeschalten werden. Dass Alex diesen ersten Anschlag überlebte und dann die weiteren war kein Zufall, sondern das Ergebnis ihres brillanten Verstandes, der vorausplant und stets aufmerksam bleibt. Wo auch immer sie gerade lebt, besitzt sie eine neue Identität und baut Nacht für Nacht Todesfallen auf, um mit aufgesetzter Gasmaske schlafen zu können.
Doch eines Tages erhält sie von ihrem ehemaligen Chef eine E-Mail. Es geht um einen letzten Fall und es stehen Millionen von Leben auf dem Spiel. Zur Sicherheit entführt sie auf eigene Faust das Zielobjekt Daniel Beach und verhört ihn. Doch es war tatsächlich eine Falle – die ihr und den Beach-Brüdern gestellt wurde. Denn der ebenfalls auf der Abschussliste stehende Kevin kommt, um seinen Bruder vor Alex zu retten und tötet sie dabei fast. Das Spiel erst einmal von dem Trio durchschaut, wird der Spieß aber schnell umgedreht und zum finalen Schlag gegen ihre Verfolger ausgeholt.

Die Handlung verrät es schon, in diesem Text von Meyer geht es blutig und um einiges brachialer zu, als man es von ihr gewohnt ist. Da werden Menschen gefoltert und exekutiert und auch das ein oder andere Gebäude abgefackelt. Doch natürlich sind es nicht allein die perfekt durchgetakteten Actionsequenzen, welche „The Chemist“ zu einem Lesevergnügen machen. Stattdessen beweist die Autorin wieder einmal, dass sie es versteht, sympathische Protagonisten zu entwerfen, mit deren Gefühlen man sich identifizieren kann und das auch, weil diese sprachlich treffend vermittelt werden; die Angst, aber ebenso die Entschlossenheit von Alex. Und als sie sich schließlich verliebt – ja, es ist immer noch Stephenie Meyer – passiert dies, im Rahmen des Möglichen, authentisch. Es geht langsam, obwohl beide ständig fast sterben und die Anziehung maximal ist. Dadurch bleiben die Unternehmungen von Alex aber auch nachvollziehbarer und man wächst mit ihr und ihren Gefühlen mit. Es entsteht eine Geschichte, die an sich nicht unbedingt neu ist, kennt man doch „letzte-Fall-Szenarien“ zur Genüge, aber die mit einem neuen Fokus besticht. Und dieser Fokus ist die ganz eigene Perspektive von Alex, die in einer unmöglichen Situation Stärke beweist und trotz aller Gefahren das Risiko eingeht, sich zu verlieben und sich damit angreifbar zu machen. Das Schöne ist, dass sie durch ihre Liebe aber nicht zu einem Dummchen wird, sondern nur noch gefährlicher.

Stephenie Meyer gelingt mit „The Chemist – Die Spezialistin“ etwas, dass sich bestimmt viele Schriftsteller wünschen, die Fortsetzung einer Erfolgssträhne. Sie versteht es mit jeder neuen Geschichte eine wunderbare Frau in Szene zu setzten, die man mag und deren Gefühle man nachvollzieht und gerade auch deshalb gerne miterlebt. Ihr neuester Titel ist keine Ausnahme. Aber es gibt Neuerungen. So gestaltet sich die Liebesgeschichte doch sehr anders und Gewalt findet definitiv mehr Anwendung. Insgesamt beide Daumen hoch mit der Bitte, in Zukunft einmal auf Jugendfreigabe zu verzichten.

Details

Bewertung

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  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik: