Ein Fall für Kommissar Oppenheimer

Totenliste

von Harald Gilbers
Rezension von Manfred Weiss | 25. September 2018

Totenliste

Berlin, Dezember 1945. Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Russen, Amerikaner, Franzosen und Engländer haben sich Berlin aufgeteilt. Die Einwohner der Stadt müssen sich in einer neuen Zeit des Mangels und Wiederaufbaus finden. Doch die Vergangenheit hängt noch als bedrohlicher Schatten über allem. Die Ruinen der zerbombten Stadt erinnern noch zu sehr an das gerade Gewesene.

Vor diesem Hintergrund ermittelt Richard Oppenheimer, der Kommissar mit dem bekannten Namen, wieder. Ein mörderischer Racheengel geht um, der seine eigene traumatisierte Vendetta gegen die Täter von gestern führt. Jene, für die es keine Kriegsgerichtsprozesse gibt und keine große mediale Aufmerksamkeit, jene, die man allzu leicht vergessen könnte im Trubel der Nachkriegszeit. Oppenheimer, der ehemalige Polizist, wird über seine diversen Verbindungen und Verpflichtungen in die Ermittlungen der Polizei hineingezogen und befindet sich dann, wie immer, nicht mehr nur in beratender Rolle am Rande, sondern im Mittelpunkt des Geschehens.

Berlin, im eisigen Winter 1945

“Totenliste” ist bereits der vierte Band in der Krimireihe rund um den ehemaligen Kommissar Oppenheimer. Harald Gilbers erzählt mit gewohnt genauem Blick auf den historischen Hintergrund und der Leser erfährt neben der fiktiven Krimihandlung allerlei Interessantes über das Nachkriegsberlin, über die Schwarzmärkte ebenso, wie über den provisorisch wieder aufgebauten öffentlichen Verkehr und vielmehr noch die Bedeutung des Fahrrads als Fortbewegungsmittel in dieser Zeit. Selten sah man einen Kommissar sich öfter auf das Fahrrad schwingen, um zum Einsatz zu fahren und es dort dann auch schon mal in der Wohnung einer Zeugin unterzustellen, um es vor Dieben zu sichern. Der Roman spielt im Dezember 1945, dem ersten Nachkriegsweihnachten, einem bitterkalten Winter in einer ausgebombten Stadt mit Energieengpässen und viel zu wenig Heizmöglichkeiten.

Auch die Figuren aus den vorherigen Bänden der Reihe sind alle wieder da. Selbstverständlich Lisa, die Frau des Kommissars, aber auch Hilde, der Schutzengel Oppenheimers, Ede, der Nachtklubbesitzer und natürlich auch Oberst Aksakow, der geheimnisvolle russische Gönner Oppenheimers. All die Figuren werden in Nebensätzen, die darauf abzielen, dass der Leser die drei vorhergehenden Romane kennt, in die Geschichte eingeführt. Für einen Erstleser, der mit “Totenliste” in die Romanserie einsteigt ist das sicher reichlich verwirrend oder zumindest so, dass viele Fragen unbeantwortet bleiben.

Der Film im Buch

Die Handlung selbst ist wenig überraschend und folgt relativ einfachen Strukturen. Oft hat man den Eindruck, dass sie mehr Vorwand ist, die Geschichte Nachkriegsberlins zu erzählen als dass sie das eigentliche Zentrum des Romans wäre. Teils wird aus dem Blickwinkel des Täters erzählt, aber zumeist folgt das Geschehen dem Kommissar und seinen Fahrten durch Berlin und seinem Kampf ums Überleben in einer lebensfeindlichen Umgebung.

Einige Teile des Buches, vor allem aber das Finale, sind sehr visuell erzählt. Es entsteht ein klares und dramatisches Bild. Weniger der handelnden Personen selbst, mehr des Schauplatzes und des Ablaufs des Geschehens. Nach dem dramatischen Höhepunkt, dann noch der Ausklang und es wäre passend, wenn die Seiten zum Ende hin dunkel werden würden und wie im Kino plötzlich eine Seite mit nur “Ende” folgen würde und dem unweigerlichen Abspann. Doch nein, vielleicht nicht “Ende”, sondern eher “Fortsetzung folgt”.

“Totenliste” ist zuerst mal ein Buch für alle jene, die die vorhergehenden Bände der Reihe gelesen haben. Sie werden nicht enttäuscht werden, auch wenn wenig Neues dazu kommt. Für Neueinsteiger in die Reihe ist das Buch eher nicht geeignet, da doch vieles auf der Handlung der Vorgängerbände aufsetzt. Doch im Zentrum bleibt Berlin. Und das ist ein guter Schauplatz, gefährlich, geschichtsschwer und doch lebensfroh kraftvoll, auch wenn das Wissen um das weitere Schicksal der Stadt, mit Teilung und Mauerbau, schon unheilvoll über allem lauert.

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