Wer nichts zu verbergen hat, kann trotzdem alles verlieren...

von Thomas Friess
Rezension von Stefan Cernohuby | 12. November 2015

Wer nichts zu verbergen hat, kann trotzdem alles verlieren...

Bei zu viel Fiktion wird man mitunter blind für die Realität. Und bei all jenen Gefahren, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, werden zumeist diejenigen nicht mehr wahrgenommen, denen wir uns sehenden Auges und ohne Bedenken ausliefern. Beispielsweise dem Verlust unserer Privatsphäre, bei der wir selbst oft aktiv beitragen. Doch da sind auch noch die Geheimdienste, die ihre Bürger unter Generalverdacht stellen. Davon berichtet auch das Buch „Wer nichts zu verbergen hat, kann dennoch alles verlieren…“ von Thomas Friess.

Gewisse Berufsgruppen haben keinen allzu guten Ruf. Journalisten beispielsweise, insbesondere freie. Davon kann auch Ertu Keser ein Lied singen. Als Deutschtürke in zweiter Generation schlagen ihm schon aufgrund seines Aussehens Vorurteile entgegen, als Journalist gleich doppelt. Als der investigative Journalist gerade einen Artikel über einen Skandal in der Landesbank an den Mann bringen will, wird er gewarnt, dass er bei seinen Recherchen über die NSA lieber vorsichtig sein soll. Erstaunlich für Ertu, weil er eigentlich so gut wie niemandem davon erzählt hat. Doch er ist sehr konsequent und methodisch in dem was er tut, so tastet er sich von Quelle zu Quelle voran, um an Insiderwissen, Akten und Beweise heranzubekommen. Doch mit zunehmenden Fortschritten stellen sich immer mehr Leute gegen ihn, er erhält offene Warnungen und es passieren seltsame Dinge. Keinerlei Unterstützung erhält er von seiner Frau, die ihm immer wieder vorwirft ein „Loser“ zu sein und an Artikeln zu arbeiten, die ohnehin kein Geld brächten. Als dann jedoch sein Blog gehackt wird, Kontaktpersonen verschwinden und er selbst direkt unter Druck gesetzt wird, ist ihm klar, dass er in ein Wespennest gestochen hat. Er gibt dennoch nicht auf, auch wenn er Beruf, Ehe und Leben riskiert, fühlt sich ganz der Wahrheit verpflichtet. Etwas, das nicht nur für ihn fatale Folgen hat, denn nicht nur er – alle werden überwacht...

Es gibt mehrere Möglichkeiten an einen Roman heranzugehen. Entweder sind die Hintergründe Mittel zum Zweck, um eine Geschichte zu erzählen, oder aber die Geschichte ist nur ein Transportmedium für Informationen, die einem der Autor mitteilen will. Im Fall von „Wer nichts zu verbergen hat, kann dennoch alles verlieren…“ ist definitiv ein Roman der zweiten Sorte. Denn die Erlebnisse des Protagonisten sind besonders in der ersten Hälfte des Romans sehr linear. Er hantelt sich gewissermaßen von einer Information zur nächsten. Informationen, die in sein Rechercheprojekt einfließen sollen. Tatsächlich sind die meisten eher allgemein gehalten. Fakten, die viele bereits durch das Lesen von Zeitungsartikeln und Fachmagazinen kennen. Es wird auf Telefon- und Internetüberwachung, Remoteansteuerung von Geräten, das Überwachen von Bankverbindungen und Verträgen eingegangen. Das Hacken von Social-Media-Accounts und deren Missbrauch zur Rufschädigung werden ebenso ausgeführt wie eher abenteuerliche Methoden wie Folter, Entführung und die komplette Vernichtung von Existenzen durch gezieltes Lenken von Medien. Leider ist die hinter dem Wissen steckende Geschichte eher schwach und die Nebencharaktere ziemlich klischeehaft und flach. Die uninteressierte Ehefrau, der drogensüchtige aber trotzdem geniale Nerd-Hacker, die immer fröhliche und begeisterte zukünftige Freundin und vor allem die eindimensionalen, grausamen, gut informierten und trotzdem tölpelhaften bösen Agenten. Auch wenn man den Plan nur gutheißen kann, den Lesern die Methoden und technischen Möglichkeiten, die Geheimdienste heute besitzen und auch anwenden, erneut ins Bewusstsein zu rufen, handelt es sich hierbei leider trotzdem um keinen guten Roman. Er ist solider Durchschnitt, mehr nicht.

Thomas Friess hat mit „Wer nichts zu verbergen hat, kann dennoch alles verlieren…“ einen ambitionierten Ansatz verfolgt. Als Medienunternehmer kennt er die IT-Landschaft gut und hat versucht mit dem Werk auf die Gefahren im Umgang mit Daten und die permanente Überwachung unbescholtener Bürger durch Geheimdienste und andere Organisationen in einem Roman zu verpacken. Doch leider wirkt das Werk trotz seines hohen Informationsgehalts eher hölzern. Dementsprechend ist es leider nur als durchschnittliche einzustufen, trotz aller zugedrückten Augen.

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