Tintenphönix

von Isa Theobald, Christian von Aster
Rezension von Stefan Cernohuby | 02. Dezember 2019

Tintenphönix

In der Literatur gibt es viel Gewöhnliches und noch mehr Ungewöhnliche. Da sich letzteres aber nicht immer gleich gut verkauft, kommt man als Leser mit dem Ungewöhnlichen weit seltener in Kontakt. Doch in der Edition Roter Drache erscheinen auch Werke, die abseits des Mainstreams zu finden sind, so wie „Tintenphönix“ von Isa Theobald und Christian von Aster. Ein Märchen für Erwachsene.

Wie reagiert man, wenn man nach einem völlig neuen Erlebnis herausfindet, dass sich eine Feder auf dem eigenen Bauch befindet, die aussieht wie eine Tätowierung. Wenn jedes Mal eine weitere Feder hinzukommt, wenn etwas Einschneidendes passiert – egal ob es sich um ein freudiges oder ein trauriges Ereignis handelt. Und so geht es für die junge Maja weiter. Je älter sie wird, umso mehr Federn sammelt sie. Der Verlust von geliebten Menschen, das erste Mal, ihre erste öffentliche Rede, eine Trennung, eine lebensverändernde Entscheidung, die Hilfe von Freunden und die große Liebe – sie alle und weitere Ereignisse zeichnen sie. Doch wo führt das hin? Eine Frage, der nicht nur das Buch selbst, sondern auch Christian von Aster in einer Ballade nachgeht.

Es gibt Ereignisse im Leben jeder Person, die diese prägen. Für das Buch und seine grafische Gestaltung wurde ein interessanter Weg gewählt. Die Perspektive ist immer dieselbe. Man sieht die Federn auf dem Bauch des Mädchens, beziehungsweise später der Frau. Man sieht, was sich in der Umgebung befindet, was gerade wichtig ist und anhand eines Smilies auch, wie die aktuelle Stimmung ist. Es kommen neue Elemente dazu, die andere ergänzen und mit der Zeit ersetzen, je nachdem wie wichtig sie werden. Da sind beste Freunde, Bücher, und Süßigkeiten. Traumfänger machen irgendwann Rabenschädeln Platz, die dann wieder von kindlichen Fußabdrücken ersetzt werden. Doch einige Dinge bleiben. Ob das jetzt Tentakel sind oder eine gewisse Abbildung von einer dunklen Seit des Mondes, muss man selbst herausfinden. So wie man auch auf einige Details achten muss, die sich subtil verändern.
Christian von Asters Blick auf das Thema ist ein etwas umfassenderer, aus einer anderen Perspektive, das Cover von Holger Much und die Innenillustrationen von Cora Linez ergänzen das Gesamtbild einer philosophischen Betrachtung des Lebens, in der es um ein Gefieder geht, das hoffentlich noch lange nicht vollständig ist.

„Tintenphönix“ ist gleichermaßen ein Märchen wie eine philosophische Betrachtung des Lebens. Um zu ermessen, wie viel Autobiographisches in dem Werk steckt, muss man Isa Theobald jedoch kennen oder kennenlernen. Im Zusammenspiel mit Christian von Asters Ballade und den verschiedenen Illustrationen hat sie hier ein Gesamtkunstwerk erschaffen, das nicht zu mögen einem Leser äußerst schwerfallen wird – es sei denn, er hat keine Gefühle. Wer weiß, vielleicht erhält dieses Werk in einer späteren Auflage weitere Seiten.

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