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Der Attentäter - Die Welt des Gavrilo Princip

von Henrik Rehr
Rezension von Stefan Cernohuby | 05. Juli 2015

Der Attentäter - Die Welt des Gavrilo Princip

Es ist immer schwierig, wenn man historische Ereignisse im Rahmen nicht-wissenschaft licher Werke verarbeiten möchte. Noch schwieriger wird es, wenn man über die Vorlagen für die Personen der Handlung nur bruchstückhafte Informationen zur Verfügung hat. Der dänische Autor und Illustrator Henrik Rehr hat sich ein brisantes historisches Thema ausgesucht, um es in einer Graphic Novel zu verarbeiten – nämlich die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo.

Als Gavrilo Princip zur Welt kommt, gibt man ihm eigentlich keine Chance. Man erwartet, dass er ebenso stirbt wie schon seine Geschwister vor ihm. Und während Franz Ferdinand gerade Kaiser Franz Josef I. seine Zustimmung zu einem Ehegelöbnis weit unter seinem Stand abringt, wächst in einem kleinen Dorf ein Junge heran, der mehr an Geschichten von einstigen Heldentaten und Größe interessiert ist, als an der harten Realität. Seine angeschlagene Gesundheit – er erkrankt früh an Tuberkulose – kann ihn allerdings nicht davon abhalten nach Sarajevo zu gehen und dort, nachdem sein Bruder wenig Zeit für ihn hat, revolutionäres Gedankengut kennenzulernen. Als er wegen schlechter Noten in der Schule wenig Zukunft sieht, kommt es zu den ersten großen Umwälzungen in der Geschichte. Serbien schließt sich mit seinen Nachbarn zusammen um die Türken aus den eigenen Gebieten zu vertreiben. Als Mitglied einer nationalistischen Bewegung versucht sich Gavrilo der serbischen Streitkräfte anzuschließen, wird jedoch wegen seiner Schwindsucht nicht akzeptiert. Ohnmächtig und voller Scham muss er mit ansehen, wie seine Landsleute die Heldentat ohne ihn vollbringen. Also richtet sich sein Hass gegen das nächste Feindbild, die Österreicher. Denn das Österreichisch-Ungarische Reich macht seinen Anspruch auf Bosnien geltend. Während Franz Ferdinand insgeheim mit dem Plan spielt, dem Balkan möglichst große Autonomie zuzugestehen, brodelt es im Hinterland und besonders in Gavrilo, dessen Freundin Jelena zwar seinen Ideen gegenüber wohlgesonnen ist, mit ihm selbst jedoch lieber in den Hafen der Ehe einzufahren gedenkt, bevor sie sich ihm hingibt. Als er den Plan fasst, den österreichischen Thronfolger zu töten, schließt er sich einem anarchistischen und nationalistischen Geheimbund an, der ihn mit Bomben, Pistolen und Zyankali ausstattet. Und zu guter (oder schlechter) Letzt kommt Gavrilo der Zufall zur Hilfe und ihm gelingt sein Plan – und dadurch löst er den ersten Weltkrieg aus.

Das ursprünglich in französischer Sprache erschienene Werk hält sich so weit wie möglich und nötig an die historische Wahrheit. Lediglich einige unbedeutende Passagen, wo weniger Informationen vorhanden waren, wurden gut gefüllt. Auch der zeitlose Schwarz-Weiß-Zeichenstil passt perfekt zu einer historischen Erzählung. Die Ausschnitte aus seinen Befragungen zeigen die Philosophie, die sich der Attentäter zu Eigen gemacht hat. Die Erlebnisse von Gavrilo illustrieren nicht nur, wie man zu einer Person wird, die ein Ideal über ihr eigenes Leben stellt, sondern auch wie hungrig nach etwas Besonderem, etwas Eigenständigem die Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Balkan waren. Gleichzeitig erkennt man auch, wie blauäugig und in der Vergangenheit verhaftet die Mächtigen dieser Zeit waren – besonders die Angehörigen des Hauses Habsburg. Ein wenig kritisieren muss man allerdings den deutschen Titel des Buchs. Er lautet „Der Attentäter – Die Welt des Gavrilo Princip“. Dagegen lautet der französische Originaltitel „Gavrilo Princip, l’homme qui changea siècle“. Das bedeutet übersetzt. Gavrilo Princip, der Mann der das Jahrhundert verändert hat“. Obwohl man hier einen versuchten thematischen Popularitätsschub hineininterpretieren könnte, ändert das nichts an der Qualität der Graphic Novel. Wer immer sich noch nicht mit der Materie auseinandersetzen konnte und das jetzt vorhat, kann dies hier auf vielschichtige, wenngleich natürlich nicht wissenschaftliche Weise, tun.

„Der Attentäter – Die Welt des Gavrilo Princip“ ist mehr als nur eine spannende historische Geschichte im Gewand einer Graphic Novel. Tatsächlich beleuchtet das Werk den Umbruch eines Jahrhunderts unter mehreren Gesichtspunkten, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt des politischen Fanatismus. Ein Muster, dem man damals wie heute immer wieder begegnet. Daher ist die Graphic Novel, die optisch sehr ansprechend ist, nicht nur Geschichtsfans und –studenten zu empfehlen. Der Preis von knapp 30 Euro ist dabei mehr als gerechtfertigt.

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