Absolut analog


Fotografieren wieder entdecken: in Kleinbild-, Mittel- und Großformat
von Monika Andrae, Chris Marquardt
Rezension von Michael Seirer | 31. Januar 2019

Absolut analog

Digitale Kameras eilen von einem technischen Meilenstein zum nächsten: Waren es viele Jahre immer höhere Megapixelwerte, ist der letzte Trend die  Verbauung von immer mehr Linsen in einem Gehäuse beziehungsweise der Einsatz von “computational photography” und damit die “Unterstützung” des Fotografen durch Künstliche Intelligenz.
Scheinbar völlig konträr dazu liegt das genaue Gegenteil ebenso im Tend: Die Rückkehr zu analogen Kameras und Entwicklungsverfahren. Diese Gegenläufigkeit führt zu erfolgreichen Produkten wie den Instax-Kameras von Fujifilm oder dem Wiederaufbau von Fabriken, in denen analoge Filme produziert wurden.

Ein Buch über das Fotografieren mit analogen Kameras ... ist das noch zeitgemäß? Existiert Film überhaupt noch? Geht es nach den Autoren von “Absolut analog” lautet die Antwort eindeutig: Ja! Die Hochzeiten des Films sind wohl vorbei, dafür haben digitale Kameras seit Beginn der 2000er Jahre gesorgt. Trotzdem gibt es eine true Fangemeinde, die sich mit alten Kameras und dem eigenen Entwickeln beschäftigt. Erfolgreiche Projekte wie Ferrania oder Instax von Fujifilm zeigen deutlich, dass hier noch ein Markt vorhanden ist. 

Monika Andrea und Chris Marquardt sind mit ihrem Buch “Absolut Analog” angetreten, den Lesern einen leichten und erfolgreichen Einstieg in die analoge Fotowelt zu ermöglichen. Die Autoren wollen nun allen Lesern, die am analogen Prozess Gefallen finden, Dinge auch beGREIFEN wollen und Filme selbst zu Hause entwickeln möchten, einen leichten Einstieg in diese Welt ermöglichen. Die Wahl der Kamera bestimmt hier das Bildformat, ein einmal eingelegter Film unterstützt oder behindert einen erwünschten Bildlook. In der digitalen Fotografie sind viele Entscheidungen später noch zu ändern, bei analoger Fotografie ist das nur bedingt möglich. 
Und das mit einem ebenfalls analogen Mittel: Einem Buch (vom ebook einmal abgesehen). Und das ist auch gut so, da sich im Internet gerade zu analogen Filmthemen tausende Webseiten finden, von denen sich aber viele durch Halbwissen auszeichnen. Im Buch werden ausschließlich Inhalte präsentiert, die die Autoren selbst ausprobiert haben.

Das Buch startet mit einer Einführung in die verschiedenen Kameratypen und Filmformate, Tipps zum Kamerakauf und wodurch sich Film von digitalen Kameraprozessoren unterscheidet. Sehr detailliert wird danach die eigene Entwicklung von Schwarzweiß-Filmen beschrieben - wofür man übrigens keine aufwändige Dunkelkammer benötigt. Natürlich darf die Push- und Pull-Entwicklung dabei nicht fehlen. 

Im Kapitel “Weiterverarbeitung” finden sich Vorgehensweisen zum Scannen der Negative und den danach notwendigen Bearbeitungsschritten in einer  Bildbearbeitungssoftware bzw dem Vergrößern im eigenen (Schwarzweiß-)Labor. 
Auch der geeigneten Präsentation mit der passenden Auswahl an Rahmungen und Passepartouts und die auf die korrekte Aufbewahrung von Negativen wird (leider nur sehr kurz) eingegangen. Im Anhang finden sich dann noch Unmengen von Links zu Bezugsquellen von Fotochemie, Apps, Kamerabörsen, Checklisten für die Filmentwicklung und den Scannprozess und eine kurze Literaturliste.

Besonders das Kapitel zur eigenen Entwickelung von Schwarzweiß-Filme ist gelungen, da die einzelnen Schritte gut erklärt werden und mit vielen Fotos illustriert sind. Falls mal etwas nicht so funktioniert wie beschrieben, finden sich im Abschnitt “Fehlersuche” mögliche Problem und Tipps, wie man diese vermeidet und behebt. Hier zeigen sich besonders der starke Praxisbezug und die Erfahrung der Autoren. 
Im Internet finden sich unzählige alternative Anleitungen zum Entwickeln von Filmen - ihre Autoren schwören auf das feine Korn oder differenzierten Kontrast, der sich nur dadurch ergibt. Die Autoren des Buches jedoch beschreiben nur die Standardentwicklung im Detail und das ist gut so. Empfehlungen für notwendige Werkzeuge und welche unbedingt vermeidet werden sollten runden die Beschreibung ab. Hilfreiche Apps und Webseiten für weiterführende Informationen ermöglichen dem Leser ein tieferes Eintauchen in einzelne Gebiete. 
Ein wenig schade ist die recht kurze Beschäftigung mit dem eigenen Ausbelichten von Negativen. Zugegeben: Ohne Platz und Dunkelkammer geht es dann nicht mehr. Aber gerade hier spürt man die Faszination der analogen Fotografie ganz besonders. Es wirkt fast magisch, wenn sich das belichtete Bild langsam im Entwicklerbad zu zeigen beginnt.

Dass nach 24 oder 36 Bildern der Film voll war, ist in Zeiten von 128GB SD-Karten kaum noch vorstellbar. Die analoge Fotografie reduziert die Optionen, viele Entscheidungen müssen vor dem Fotografieren getroffen werden und sind nicht umkehrbar - das macht psychologisch glücklicher und freier. Neben älteren Analogliebhabern finden aber auch Fotokünstler und jüngere Generationen gefallen an der Tatsache, dass man die Ergebnisse eben nicht gleich sieht. Diese Verlangsamung hilft auch gegen den Trend, dass zwar immer mehr (Smartphone-)Fotos gemacht werden, aber immer weniger gedruckt werden. Denn ein gutes Fotos spricht emotional an. Und wenn man selbiges in Händen hält, vielleicht noch in Barytqualität, dann versteht man, warum analoge Fotografie noch lange nicht aussterben wird.

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