Demokratie und Elite: passen diese Konzepte überhaupt zusammen? Oder sollte die Frage viel eher lauten: Demokratie für Eliten? Demokratie durch Eliten? Oder gar: Demokratie statt Eliten? Der Journalist und politische Sachbuchautor Paul Schreyer seziert diese Fragestellung aus dem Blickwinkel von Kalkül gesteuerten Ängsten und Befürchtungen - weshalb diese beiden Begriffe auch gleich zweimal zentral im Titel dieses Buches platziert sind.
Können (stärkere) plebiszitäre Elemente der gegenwärtigen krisenhaften Demokratiemüdigkeit und Politikverdossenheit entgegenwirken? Wie umstritten dieser Ansatz seit jeher war, wird historisch anhand dreier Beispiele aus der Weimarer Republik illustriert: Fürstenenteignung (1926), Panzerkreuzerbauverbot (1928) und Anti-Kriegsschuldanerkenntnis (1929). Alle diese Volksentscheide scheiterten trotz überwältigender Zustimmung an zu geringen Beteiligungsquoten. Weitgehend unerwähnt bleibt überdies im öffentlichen Bewusstsein, dass die gegenwärtige Verfassung Deutschlands (vormals BRD) bis heute nicht von der Bevölkerung direkt bestätigt wurde - ein besonders widersinniges demokratisches Unding, zumal die Verfassungen der deutschen Bundesländer zwischen 1946 und 1950 sehr wohl dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurden. Führt hier nach wie vor die Urangst der Berufspolitiker und Eliten Regie, dass das Volk zu "dumm" oder zu "unreif" für so weitreichende Weichenstellungen sei? Der Autor kommt zu dem grundsätzlichen Schluss, dass Volksentscheide seit jeher ein Konzept seien, das jedwedem autoritären Denken zuwiderläuft.
Der militärisch-industrielle "Tiefenstaat " als quasi-permanente Regierung aus nüchternen Profis wird als Projekt der alten Eliten dargestellt, um einfach so weiterzumachen, als hätte es Revolutionen und Demokratisierung nie gegeben und um "übermäßigem Leichtsinn in der Politik" (Seite 136) vorzubeugen. Wie sehr sich der Autor mit diesen Aussagen auf das Minenfeld von postfaktischen Verschwörungstheorien begibt, wird von ihm durchaus selbstkritisch reflektiert.
Die Kontroverse um mehr oder weniger (direkte) Demokratie - innerhalb einer demokratischen Grundordnung - wird wohl nie abschließend beigelegt werden können. Schreyers Buch liefert dazu jedenfalls einen weiteren erkenntniserweiternden Beitrag vor allem durch seine historischen Fallbeispiele mit dem Fokus " Wer hat warum Angst vor Plebisziten?" Etwas zu bedauern ist hingegen, dass Volksentscheide wie der Ausstieg Österreichs aus der Atomenergie oder das Verlassen der EU durch Großbritannien ebenso wenig Eingang in die Betrachtungen finden wie generell die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem vielzitierten "Demokratiemusterland" Schweiz.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:04/2018
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Umfang:224 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783864892097
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Preis (D):18,00 €