Angst ums Abendland: Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten

von Daniel Bax
Rezension von Elisabeth Binder | 22. November 2015

Angst ums Abendland: Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten

Daniel Bax ist Redakteur bei der taz und hat unter anderem Islamwissenschaften studiert, "bevor es in Mode kam" (so steht es zumindest im Klappentext). Bei solch einem Lebenslauf und Buchtitel schrillen in gewissen Kreisen schon die Alarmglocken: Wieder so ein Gutmensch, der sich von Muslimen und Islamisten hinters Licht führen läßt! Oder?

Dem Buch legt Bax die These zugrunde, dass Rechtspopulisten in großen Teilen Europas seit gut zehn Jahren versuchen, die vorhandenen Zukunftsängste der Bevölkerung in einer Zeit der Verunsicherung und des Umbruchs, was Identität und Wirtschaft betrifft, auf den Islam und auf Muslime zu bündeln. Die titelgebenden "Islamfeinde", im Wesentlichen die modernisieren Rechtspopulisten, betreiben eine rückwärtsgewandte Identitätspolitik, in der eine politisch machtlose Minderheit direkt für Probleme verantwortlich gemacht wird, die ganz sicher mehr als nur eine Ursache haben. Die Betonung der bedrohten "abendländischen" Identität geht auf Kosten des demokratischen Grundverständnisses, das offensichtlich sehr einfach identitätstechnisch über Bord geworfen wird. "Angst essen Seele auf", wie Ali im gleichnamigen Film von Fassbinder vor über 40 Jahren schon anmerkte. Und der Untergang des Abendlands ist inzwischen auch schon mehr als 90 Jahre alt.

Dieser These nähert sich Bax von verschiedenen Seiten an. Im ersten Teil des Buchs geht es vor allem um die Entstehungsgeschichte der "Islamophobie" und der Ideologisierung des Begriffs "Abendland" von Luther, der im Zuge seiner Bibelübersetzung die lateinischen Begriffe Orient und Okzident eindeutschte, über die Aufklärung, den Kolonialismus und bis zum Ende des Kalten Kriegs. Luther selbst war nicht gerade zimperlich in seinen Ansichten zum Islam und zum Judentum als monotheistische Konkurrenz. Interessant ist, dass sich einige der Aussagen, ohne jetzt den historischen Zusammenhang zu berücksichtigen, bis heute erhalten haben (Mohammed als "Kinderschänder"). Luther mag man seine zu theologischer Wahrheit destillierten Vorurteile verzeihen, als "Beweis" für die Gefährlichkeit des Islam sind Lutherzitate aber kaum zeitgemäß oder zeugen zumindest von einem unzeitgemäßen Geschichtsverständnis. Das störte aber die "Kulturkämpfer", denen nach dem Ende der Sowjetunion ihr gewohntes Feind- und Bedrohungsbild abhanden kam, nur wenig. Die "grüne" Gefahr füllte für den konservativen politischen Rand schnell dieses Vakuum aus, mit den bekannten Folgen für den politischen Diskurs heutzutage.

Anschließend widmet sich Bax der Frage, mit welchen Argumenten die Islamfeinde operieren. Da sind zunächst die historisch und theologisch zweifelhaften Thesen vom gewaltverherrlichendem Koran. Ironischerweise nehmen die Islamfeinde den Koran ebenso wörtlich wie die schlimmsten Islamisten. Gemeinsam ist beiden Bewegungen die Abneigung gegen jegliche "Grauzonen" in ihrer Identitätspolitik. Das führt letztlich dazu, dass Muslime, mit Hilfe einer willigen Presse, in Europa immer mehr in Beweisnotstand kommen, ob sie denn nun ihren Status als religiöse Minderheit überhaupt verdienen. Bax schildert diesen Vorgang anhand der Kopftuchfrage, der Mohammedkarikaturen, des Moscheebaus, und der angeblich fehlenden Reformation im Islam.

Im dritten und letzten Teil geht es um die Strategien, mit denen die konservativen Kulturkämpfer ihre Machtsphäre auf Kosten einer Minderheit absichern. Interessant ist auch wie sich die Argumente gegen Islam ähneln, die von Befürwortern der Trennung von Kirche und Staat und den kirchlichen Vertretern ins Rennen geführt werden. Unterstützt werden die Retter des Abendlands von einem Großteil der Medien, die nur noch für die Quote leben. Differenzierte Berichterstattung ist da oft nicht gut für das Budget.

Gerade angesichts der anhaltenden Flüchtlingsströme und des islamistischen Terrors, der auch zunehmend in Europa seine destabilisierende Wirkung entfaltet, leistet das Buch von Daniel Bax, einen wichtigen Beitrag gegen angstgetriebene Panikreaktionen und für eine Rückbesinnung auf die Stärken der demokratischen Grundwerte. Nur so können letztlich die Herausforderung einer vernetzten Gesellschaft bewältigt werden. Nach den Anschlägen in Paris werden auch in den Massenmedien die Stimmen lauter, dass das wirksamste Mittel gegen den Islamismus Empathie und Humanismus sind.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    08/2015
  • Umfang:
    288 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ISBN 13:
    9783864890994
  • Preis (D):
    17,99 €

Bewertung

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