Bankenbande

von Richard Schneider
Rezension von Elisabeth Binder | 04. Dezember 2015

Bankenbande

"Wird in einem Medium eine Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig, aber nicht rechtskräftig verurteilt ist, als überführt oder schuldig hingestellt oder als Täter dieser strafbaren Handlung und nicht bloß als tatverdächtig bezeichnet, so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung." So lautet der im österreichischen Mediengesetz festgelegte "Schutz der Unschuldsvermutung" und das gilt selbstverständlich auch für diese Rezension.

Richard Schneider ist ein Serientäter in der Causa "Hypo Alpe Adria": Die "Bankenbande" setzt dort fort, wo sein erstes Buch aus dem Jahr 2011 ("Tatort Hypo Alpe Adria") endete. Auch hier gilt die Unschuldsvermutung, allerdings ist Schneider ein offen bekennender Hypo Alpe Adria Junkie.
Die Hintergründe für Entstehung und Verlauf eines der größten Finanzskandale in Europa sind sechs Jahre nach der Notverstaatlichung, zahlreichen Gutachten, dem vernichtenden Urteil einer Untersuchungskommission und zwei Untersuchungsausschüssen relativ klar. Es war einmal eine Provinzbank im Süden Österreichs, deren ehrgeizige Manager sehr aggressiv in (vermeintlich) lukrative Geschäfte im ehemaligen Jugoslawien, vor allem in Kroatien und Serbien, einstiegen. Sie waren dabei unglücklicherweise nicht sehr wählerisch in der Wahl ihrer Geschäftspartner, die von Schneider mehrfach als "Balkanmafia" bezeichnet werden, und das nicht nur im übertragenen Sinn. Einige der Herrschaften wurden inzwischen rechtskräftig in ihren Herkunftsländern wegen Korruption und anderen Verbrechen verurteilt. Daneben gab es noch eine gierige Clique lokaler Politiker, die die Tatsache, dass die Bank teilweise in Landeseigentum stand, in Form von günstigen Krediten für Prestigeprojekte und anderen indirekten (Geld-)Leistungen für ihre Partei zu nutzen wussten. Dem gegenüber stand eine handzahme Aufsichtsbehörde und ein allzu gütiger Aufsichtsrat, der ganz offensichtlich seinen Pflichten nicht nachgekommen wollte, auch nicht als 2004 millionenschwere Verluste aus Spekulationsgeschäften vertuscht wurden. Gegen Ende hin mischte dann auch noch die Bayrische Landesbank mit, deren Blauäugigkeit beim Kauf der Bank nicht ganz ehrlich klingt. Dann kam das Jahr 2008 und mit der Finanzkrise waren die faulen Kredite nicht mehr zu verbergen und die bayrischen Eigentümer konnten oder wollten kein Geld mehr in die Hypo Alpe Adria investieren, sie hatten ihre eigenen Probleme. Das führte schließlich Mitte Dezember 2009 zu einer überstürzten Notverstaatlichung. Bis heute wird von Finanzexperten bezweifelt, dass die Möchtegernbank "too big too fail" war, das heißt dass die Verstaatlichung gar nicht notwendig gewesen wäre. Neben der Abwicklung des milliardenschweren Schadens, der letztlich von den österreichischen Steuerzahlern getragen wird, laufen noch diverse gerichtliche Verfahren. Von der Liste der 150 Verursacher der Riesenpleite, die von der Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt werden, haben nur die wenigsten den Weg hinter Gitter gefunden. Teilweise mussten Verfahren auch wieder aus Mangel an Beweisen eingestellt werden.

Die Vorgänge rund um die "Hypo Alpe Adria" bieten also ein breites Betätigungsfeld für investigative Journalisten wie Richard Schneider. Sein spezifischer Beitrag ist die sehr detaillierte Betrachtung der "Balkan-Connection" und der Vorgänge in liechtensteinischen Briefkastenfirmen. Offensichtlich hat Schneider aus seiner Zeit als Südosteuropakorrespondent, in der er den Jugoslawienkrieg hautnah miterlebte, noch reichlich Kontakte in die Region, die ihm Zugang zu Zeugen ermöglicht, die gar abenteuerliche Geschichten aus der Zeit des Waffenembargos zu erzählen haben. Zu dieser Zeit konnte die Hypo Alpe Adria offensichtlich ihre ersten Geschäfte mit Kroatien anbahnen. Dann kommt auch noch eine Episode um die Unterschlagung von Juwelen vor, in die ein guter Kunde der Hypo verwickelt war. Korruption ist an dieser Stelle noch das geringste Verbrechen. Offensichtlich hat das die "Cowboys" der Hypo, wie sie in Kroatien in einschlägigen Kreisen genannt wurden, nicht dabon abgehalten, mit Geld um sich zu werfen. Dass es dabei aber nicht nur um Ruhm und Anerkennung für die beteiligten Bankmanager ging, ist inzwischen einigermaßen gut bewiesen.

Leider werden die interessierten LeserInnen vom Autor mit einer Unmenge an Fakten und solchen, die es noch werden wollen - es gilt die Unschuldsvermutung - überschüttet, ohne jetzt wirklich Hilfe in Form von Quellennachweisen, eines Registers, einer kurzen Beschreibung der wesentlichen Akteure, einer Chronologie der Ereignisse oder auch nur einer grafischen Aufbereitung der diversen (dunklen) Netzwerke zu erhalten. Die "Bankenbande" wird einfach durch die Fakten erdrückt. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass Schneider sich schon fast seit einem Jahrzehnt mit dem Fall beschäftigt. Seinem offensichtlichen Wunsch, der Wahrheit ans Licht zu helfen, steht aber das Fehlen eines durchgängigen roten Fadens gegenüber. Da wird zwischen den Kapiteln zeitlich und räumlich gesprungen, was dem Verständnis der komplizierten Sachlage nicht wirklich hilft. Eine mögliche Erklärung für diese Inkonsistenzen mag auch darin liegen, dass Schneider sehr großzügig Texte einarbeitet, die er für die ZEIT geschrieben hat. Nicht immer handelt es sich dabei um nicht gekennzeichnete Eigenzitate, denn an anderen Stellen baut er Textbausteine seines ZEIT-Kollegen Joachim Riedl ein. Das wird an einer Stelle zwar als Fußnote vermerkt, aber weit nicht an allen. Mehrere Stichproben haben ergeben: dort, wo sich das Buch flüssig und schlüssig liest, war das Ausgangsmaterial ein Artikel in der ZEIT. Unter Umständen könnte dies ein Grund dafür gewesen sein, dass das Buch im Eigenverlag erschien. Es gilt, wie immer, die Unschuldsvermutung.

Die "Bankenbande" ist ein wichtiges Lebenszeichens des investigativen Journalismus, der gegenüber medialen Gefälligkeitsgutachten immer mehr ins Hintertreffen gerät. Allerdings wird es den LeserInnen zu schwer gemacht, sich in der Fülle der Details zurecht zu finden. Vielleicht ist das so, weil das letzte Wort über den "Hypo Alpe Adria" Skandal noch nicht gesprochen ist.

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