Kurze Antworten auf große Fragen

von Stephen Hawking
Rezension von Stefan Cernohuby | 16. Januar 2019

Kurze Antworten auf große Fragen

Die Zahl der Universalgelehrten war nie besonders groß und ist in den letzten Jahren immer weiter gesunken. Der theoretische Physiker und Astrophysiker Stephen Hawking war zwar keiner von ihnen, hat aber durch seine populärwissenschaftlichen Werke viele komplexe astrophysische Zusammenhänge so erklärt, dass sie auch Nichtwissenschaftler nachvollziehen konnten. In seinem letzten Werk „Kurze Antworten auf große Fragen“ konnte Stephen Hawking noch einmal seine Meinung, seine wissenschaftliche Brillanz und auch seinen Humor beweisen.

Die großen Fragen der Menschheit in 250 Seiten (kurz) zu beantworten, klingt dann doch wieder etwas länger. Tatsächlich dauert es aber durch Vorworte, Einführungen und Hinweise – unter anderem von Schauspieler Eddie Redmayne und Nobelpreisträger Kip S. Thorne – beinahe 50 Seiten, bis man zum tatsächlichen Inhalt vorstößt.
Hier werden umfassende Fragen in einem Satz gestellt. Beispiele dafür sind: „Gibt es einen Gott?“, „Wie hat alles angefangen?“, „Gibt es anderes intelligentes Leben im Universum?“ und „Sind Zeitreisen möglich?“. Stephen Hawking nähert sich jedem Thema auf verschlungenen Pfaden an. Er geht wissenschaftlich an sie heran, er spricht von eigenen Erfahrungen, referenziert die Geschichte, zitiert andere Wissenschaftler und – das ist in diesem Fall das Besondere am Werk – bringt seine eigene Meinung mit ein. Denn so mache Frage hat nicht nur eine wissenschaftliche Basis sondern unterschiedliche Ebenen, auf denen er auch mehrfach seinen Humor beweist und wilde, unwissenschaftliche Spekulationen sowie Hypothesen aufstellen kann, die er sich vermutlich in keinem seiner früheren Werke erlaubt hätte. Besonders seine Aussagen hinsichtlich des Brexit und Versuchsreihen mit dem menschlichen Erbgut sind insofern spannend, als Hawking ja bereits im März 2018 starb. Nach jeder längeren Ausführung zu einer Frage, reduziert er all seine Ausführungen zu einem einzelnen Satz, um die tatsächliche „Kurze Antwort“ auf die großen Fragen zu erhalten.
Ein kurzes Nachwort seiner Tochter Lucy beschließt das Buch.

Gleich eines vorweg. „Kurze Antworten auf große Fragen“ ist kein Werk, das mit seinen früheren Büchern vergleichbar wäre. „Eine kurze Geschichte der Zeit“ war auf die wissenschaftliche Essenz für Nichtphysiker konzentriert. „Das Universum in der Nussschale“ enthielt sehr anschauliches Material, um Zusammenhänge auch bildlich nachvollziehen zu können. Das aktuelle Werk ist nichts davon. Es ist ein Frage- und Antwortspiel zu den Regeln von Stephen Hawking. Das bedeutet jetzt nicht, dass das Werk daher unbedeutender wäre, vermutlich war man dem beeindruckenden, an ALS erkrankten Physiker in seiner persönlichen Gedanken- und Wertewelt niemals näher als hier. Die Ausführungen selbst halten sich an bekannte Prinzipien, nur das eine oder andere Mal weist er auf neue Entdeckungen oder Entwicklungen in den bestimmten Themenbereichen hin, die das Buch in dieser Hinsicht in absehbarer Zeit überholen werden. Wer aber mehr über die Ansichten und die Werte eines Stephen Hawking erfahren möchte, ist hier sicher richtig. Dass es sich bei den Inhalten jedoch um zitierbare und wissenschaftlich stets haltbare Argumentationen handelt, darf man (natürlich) in Zweifel ziehen. Vermutlich wäre Hawking sogar froh darüber gewesen, hatte er doch jede seiner Theorien immer wieder zur Diskussion gestellt und war neuen Ideen gegenüber offen.

„Kurze Antworten auf große Fragen“ ist das letzte Buch des 2018 verstorbenen Physikers Stephen Hawking. Mit scharfem Verstand, aus unterschiedlichen Blickwinkeln und vor allem mit überraschendem Humor gibt Hawking seine Standpunkte in Bezug auf viele große Fragen der Menschheit preis. Und dadurch wird es auch sein persönlichstes Buch, weil man hier seine Ansichten, seine Werte und seine Gedankenwelt kennenlernt. Vielleicht zählt das Werk wissenschaftlich nicht zu den interessantesten, aber um Hawking „kennenzulernen“ ist es sicher das Beste.

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