100 Jahre Tyrolia in Wien: Ein Festakt im Stephansdom
Beitrag von Janett Cernohuby | 30. September 2017
In einer Zeit, in der Buchhandlungen gegen den großen Konkurrenten "Onlinehandel" um ihr Überleben kämpfen, in der viele diesen Kampf verlieren und ihre Türen schließen müssen, ist das 100jährige Jubiläum eines Buchladens schon etwas ganz Besonderes. Und so feierte die Tyrolia Buchhandlung am Wiener Stephansplatz dieses Jubiläum auch entsprechend. Mit einem neuen Buch und einer Feier im Dachgeschoss des Stephansdoms.
Der Stephansdom ist nicht irgendeine Kirche in der Weltstadt Wien. Es ist ein Haus Gottes, das seit 800 Jahren das Stadtbild prägt, das zwei Weltkriege überstanden hat und dem auch ein Feuer nichts anhaben konnte. Der Stephansdom steht unbezwingbar in der Innenstadt, wie ein Fels in der Brandung, der den Wienern Sicherheit, Halt und ein Ort der Zuflucht und des Gebets ist.
Dass auch zwischen der Domkirche und dem österreichischen Traditionsbuchhaus Tyrolia eine enge Verbindung besteht, davon konnte man sich bei der 100-Jahr Feier überzeugen.
Die Feierlichkeiten wurde nicht nur getragen durch ein besonderes Programm, sondern auch durch ein besonderes Ambiente: das Dachgeschoss des Stephansdoms. Es ist nicht nur das Dachgeschoss einer Kirche, es ist ein Symbol. Nach dem Kriegsende ausgebrannt und eingestürzt, in den Folgejahren durch die Unterstützung der Wiener wieder aufgebaut, wohnt diesem Ort eine besondere Atmosphäre inne. Hier findet man Relikte vergangener Zeiten, alte Werkzeuge, Grabplatten des ehemaligen Friedhofs rund um St. Stephan, Dachziegel für das Dach des Doms, Figuren, religiöse Gemälde und ein wirklich beeindruckendes Modell des Doms. In den Dachboden passt das der gesamte Dominnenraum noch einmal hinein. Er ist sogar größer als dieser.
An diesen imposanten Ort also lud der Tyrolia Verlag ein und zahlreiche namhafte Gäste folgten der Einladung. Nach einer Begrüßung des Dompfarrers Toni Faber nahm Mag. Christoph Schiemer die Gäste mit auf eine Zeitreise. Er erzählte von den Anfängen des Tyrolia Verlags, dessen Ursprünge in Südtirol liegen. 1907 wurde die Verlagsanstalt ins Leben gerufen, musste dann aber aufgrund der Trennung Tirols aufgespalten werden. Zwischen den beiden Weltkriegen profilierte sich Tyrolia als Fachverlag für Theologie, Regional- und Schulbuchverlag, war aber den Nazis ein Dorn im Auge. Nach dem Kriegsende wurde der zerschlagene Verlag wieder aufgebaut und etablierte sich zu dem Verlagshaus, wie wir es heute kennen.
Zum 100-jährigen Jubiläum der Buchhandlung ist ein ganz besonderes Buch erschienen. Ein Sagenbuch für Kinder und Erwachsene, für Wiener, die ihren Steffl so sehr schätzen, ebenso für alle anderen, die diesem Gotteshaus verbunden sind. Ein Gebäude wie der Stephansdom, der seit Jahrhunderten Wind und Wetter, Katastrophen und geschichtsträchtigen Ereignissen trotzt, hat natürlich eine Menge über die Menschen zu erzählen, die im Laufe der Zeit in seiner Nähe lebten. Diese Geschichten wurden von Barbara Schinko gesammelt und in einem Buch vereint. "Das Sagenbuch zum Stephansdom" ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet, begeistert alle Altersgruppen durch seine atmosphärischen Geschichten.
Großartig liest Lena Raubaum zwei Sagen aus dem Buch vor: "Die Dienstbotenmuttergottes" und "Wind und Regen auf dem Stephansplatz". Man taucht ein in vergangene Zeiten, lauscht den wundersamen Begebenheiten, lacht und staunt über das, was da erzählt wird. Die Sage der "Dienstbotenmuttergottes" ist wohl den meisten Wiener bekannt, ähnlich wie so manch andere des Buchs auch. Doch es gibt auch weniger bekannte Sagen zu entdecken. In vielen davon treibt der Teufel sein Unwesen.
Doch haben Sagen überhaupt noch Bestand in unserer Zeit? Welchen Stellenwert haben sie in der heutigen Kinder- und Jugendliteratur? Die Antwort ist für Heidi Lexe von der STUBE, der Studien und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur, ganz klar: "Die Sage gehört zu den ältesten Formen der Literatur, mit Mythos und Märchen."
Sagen erzählen von Orten, Menschen, Gebäuden und besonderen Ereignissen. Dadurch erklären sie uns die Welt auf eine andere Weise. Sie regen unsere Vorstellungskraft an, greifen unsere Ängste auf und wecken unsere Begeisterungsfähigkeit. Für unsere Geschichte, für unsere Kultur und auch für die literarische Form der Sage.
Perspektivenwechsel von der literarischen Form zum Medium Buch. Der bekannte Theologe und Philosoph Dr. Clemens Sedmak ging in seiner Festrede darauf ein. Er tat dies auf definitiv nicht ganz ernsthafte Weise. So erzählte er augenzwinkernd Schwänke aus seiner Kindheit als Sohn einer Bücherwurm-Mutter, er philosophierte über die wissenschaftliche Herangehensweise an ein Sagenbuch und nutzte sogar die Religionswissenschaft, um das Buch in einem nahezu himmlischen Licht zu beleuchten. Auch französische Philosophinnen waren nicht sicher vor ihm, wenn es darum ging, Metaphern zur Beschreibung des Mediums Buch zu finden, genauso wenig wie die Tugend von Priestern oder Franz Kafka. Auch die vier wichtigsten Zutaten zu einem guten Buch sprach er an - und attestierte diese dem vorgestellten Werk. Und letztendlich beantwortete er auch die Frage, ob man dieses Sagenbuch wohl auch im Himmel finden würde.
Mehr über das Sagenbuch zum Stephansdom.
Fotos von Michael Seirer Photography