Santiano - Seemannslieder in Ottakring

Beitrag von Stefan Cernohuby | 27. Januar 2016

Es gibt einige Berufe mit Besonderheiten, die man in Binnenländern nur schwer nachvollziehen kann. Einer davon ist sicherlich jener des Seemanns. Denn wer kein Meer und keinen Strand hat, dem geht die Möglichkeit verloren Küste, Wellen und Gischt zu bewundern. Um jenes Gefühl und vor allem auch die damit einhergehende Freiheit des Seemanns zu verstehen, bedarf es für einen Binnenländler und speziell einen Österreicher gewisse Nachhilfe. Zum Glück ist die aus dem Norden Schleswig-Holsteins stammende Band „Santiano“ zu Besuch gewesen, um erstmals in Wien moderne Seemannslieder zu schmettern…

Am 26. Januar 2016 fand das erste „Santiano“-Konzert auf österreichischem Boden statt – obwohl Boden in diesem Fall luftige Höhen bedeutete. Denn die Veranstaltung ging in der Ottakringer Brauerei in Wien über die Bühne, dessen Saal sich in einem ehemaligen Speicher befindet. Das änderte jedoch überhaupt nichts daran, dass das Konzert völlig ausverkauft war und sich die Zuschauer in bester Stimmung einfanden. Eine Tatsache, die nicht einmal unbedingt auf das allgegenwärtige Getränk des Brauhauses zurückzuführen war.
Ohne merkliche Verzögerung begann das Konzert und die fünf Musiker sowie ihr Gastschlagzeuger bauten sich wie gestandene Seeleute auf der Reling auf, mit dem kleinen Unterschied, dass ihre Reling die Bühne war. Mit „Lieder der Freiheit“, dem stimmungsvollen (im Original „To France“ von Mike Oldfield) ersten Track des aktuellen Albums „Von Liebe, Tod und Freiheit“, wurde die Atmosphäre schon zu Beginn angeheizt und aufrechterhalten. Ohne sich eine Pause zu gönnen, wurden über zwei Stunden lang mitreißende Rhythmen, eindringliche Balladen und traditionelle Weisen gespielt. Die Mischung aus irischem Folk, druckvollen und voluminösen Gesangsstimmen sowie mitreißenden Rhythmen wurde begleitet von pyrotechnischen Effekten, die für die relativ kleine Halle beinah überdimensioniert wirkten.



Spannend waren auch die kurzen eingeworfenen Späße unter den Bandmitgliedern, das musikalische Wetteifern, amüsante Positionswechsel auf der Bühne und nicht zuletzt auch die eindringlichen Appelle von Sänger Björn Both, die sowohl in Stimme als auch Tonfall ein wenig an Reinhard Mey erinnerten. Entgegen dem, was man mitunter von Musikern aus dem volksnahen Musikbereich annehmen könnte, sind die Seemannslieder der Band Santiano zwar auf Heimat und Freiheit bezogen, ohne dies jedoch auf eine nationalistische Ebene zu heben. Im Gegenteil. Gerade die Aussagen, dass es wichtig sei, anderen eine Heimat zu bieten, die ihre eigene verloren haben und, dass man nicht erneut den Fehler begehen solle, eine Mauer zu bauen, waren verblüffend und erfreulich weltoffen. Doch das ist etwas, das man von einer Band, die so oft die Segel setzt um ihre Fans im gesamten Deutschsprachigen Raum zu besuchen, vermutlich voraussetzen kann. Auch wenn man der Band angesehen hat, dass sie gewohnt ist vor einem weit größeren Publikum zu spielen, war die Stimmung durchgehend am Kochen – sicherlich unterstützt durch den großzügigen Einsatz von Feuerschalen und Flammenwerfern. So war es auch kein Wunder, dass die Band drei Zugaben gab, die von den Zuschauern auch eingefordert wurden.

„Santiano“ ist eine Band, deren Namen man sich merken sollte. Sollte es einen weiteren Wien-Auftritt geben, wird dieser vermutlich bereits in der Stadthalle oder einem ähnlich großen Ambiente stattfinden. Denn die Freiheit und die Weite des Meeres verlangen eine größere Bühne. Und das Interesse der Zuschauer wohl auch eine größere Halle.

Fotos von Michael Seirer Photography |
Santiano - Seemannslieder in Ottakring