Spiele mit der Wahrscheinlichkeit gibt es viele. "Was wäre wenn" ist eine Floskel, die viele Geschichten oder philosophische Dispute begonnen hat. Eine solche Frage stellt Thomas Glavinic seinem Roman "Das Leben der Wünsche" voran. Kann das Werk, das ursprünglich im Carl Hanser Verlag erschienen ist, auch in Hörbuchversion, gelesen von Stephan Schad, überzeugen?
Jonas führt ein äußerst gewöhnliches Leben. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, einen langweiligen Job und eine Geliebte. Als ihm eines Tages ein Mann im Park begegnet, der anscheinend alles über ihn weiß, tippt er zuerst auf einen Privatdetektiv. Er ändert seine Meinung, als ihm der offenbar alkoholisierte Mann verspricht, ihm drei Wünsche zu erfüllen. Nachdem Jonas nicht mehr aus ihm herausbekommt, beschließt er, ihm einen Streich zu spielen. Er wünscht sich, dass alle seine Wünsche in seinem Leben erfüllt werden sollen. Danach sieht er den Mann nie wieder. Er lebt ganz normal weiter, behält diese Begegnung zwar weiter im Hinterkopf, denkt aber nicht mehr länger daran. Doch dann verändert sich alles. Seine Frau begeht Selbstmord, seine Geliebte trennt sich von ihm. Dann kümmern sich die Großeltern um seine Söhne. Er wird Zeuge eines Raubmordes und weitere Gewalt scheint sich um ihn herum zusammen zu ballen. Und dann wird es richtig seltsam. Der Mann seiner Ex-Geliebten zieht in den Krieg, seine Söhne fahren auf Urlaub, seine Ex-Freundin hat plötzlich keinen Krebs mehr. Doch er selbst merkt, dass er sich immer weiter von sich selbst entfernt. Kann es Realität sein, was passiert? Ja, es gibt keinen Zweifel. Doch was geschieht und mit welcher Logik?
Tatsächlich geschehen die Ereignisse ohne jede Logik. Denn Jonas hat vergessen, was ihm jener Mann am Beginn des Buchs gesagt hat. Das was er will und das was er sich wünscht sind zwei völlig unterschiedliche Dinge...
Thomas Glavinic geht einer Fragestellung nach, die sich kaum ein Kind stellen wird, wenn es Märchen erzählt bekommt. Ist es wirklich so, dass eine gute Fee in diesen Geschichten drei Wünsche erfüllt? Was ist ein Wunsch? Etwas, was man sich insgeheim wünscht oder etwas, das man offensichtlich möchte. Den Autor beschäftigt eindeutig die erste Möglichkeit mehr. Er lässt seinen Protagonisten langsam aber sicher daran zugrunde gehen, all das zu bekommen, was er sich wünscht. Denn die Folgen unbedachter Wünsche sind nicht nur unvorhersehbar, sondern mitunter schrecklich. Er zerbricht beinahe am Tod seiner Frau, begreift zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er selbst dafür verantwortlich war, weil ihm die Beziehung vorher nicht zugesagt hat. Als er langsam aber sicher dahinter kommt, was mit ihm geschieht, zieht er sich mehr und mehr in sich selbst zurück - was das Problem aber nicht löst. Je mehr er Glück erfährt, desto mehr entfremdet er sich auch der Realität. Eine interessante und gut aufgeführte Idee, die aber trotzdem nicht zu verschleiern vermag, dass es im Roman selbst, abgesehen von diesem, einfach um nichts von wirklicher Relevanz geht. Man verfolgt philosophische Diskussionen, erotische Ausschweifungen und wilde Hypothesen. Wem das genug ist und wem es mehr auf die Stimmung, als auf den Inhalt eines Romans angeht, kann auch bei diesem Hörbuch zugreifen. Denn Stephan Schad verleiht der Geschichte die notwendige nachdenkliche und zeitweilig verwirrte Note, die den Hörenden zu fesseln vermag.
"Das Leben der Wünsche" von Thomas Glavinic ist nun als Hörbuch erschienen. Das von Stephan Schad gelesene Werk spielt zwar mit interessanten Hypothesen und verfolgt einige philosophische Diskussionen, kann aber dennoch mit keiner genialen Handlung aufwarten. Dem Sprecher kann man dabei keinen Vorwurf machen, er holt das Beste aus der Geschichte heraus. Dennoch ist das Hörbuch eher nur Freunden des Philosophischen zu empfehlen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:09/2009
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Umfang:4 CDs
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Typ:CD
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ASIN:3833724684
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ISBN 13:9783833724688
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Spieldauer:339 Minuten