Thriller in denen Gerichtsmediziner die Hauptrolle spielen, gibt es zuhauf. So muss ein Autor sich schon etwas Besonderes einfallen lassen, um seinen Roman aus der breiten Masse hervorstechen zu lassen. Ariana Franklin ist dies gelungen, platzierte sie ihre Protagonistin doch ins Mittelalter und schuf so eine ganz besondere Art des gerichtsmedizinischen Thrillers. Mit "Die Totenleserin" erschien das erste Buch über die Ärztin aus Salerno, welches nun auch als Hörbuch vorliegt.
Im England des 11. Jahrhunderts erschüttert eine Reihe Kindermorde die Menschen von Cambridge. Man verdächtigt die Juden der Morde, denn schließlich wurde eine der Leichen in ihrem Viertel gefunden. Henry Plantagenent fürchtet um die Sicherheit seines Landes und bittet den König von Neapel um Hilfe. Dieser schickt einen seiner erfahrendsten Ärzte aus Salerno - oder besser gesagt, eine Ärztin. Und so macht sich Adelia schon bald zusammen mit zwei Begleitern auf den Weg nach England. Dort angekommen, macht sie sich sofort an die Arbeit - was sich jedoch als schwierig erweist. Das rückständige England sieht in Frauen sündhafte, dumme Geschöpfe und so muss Adelia ihr Können geheim halten. Auch die toten Kinder kann sie nur sehr eingeschränkt untersuchen. Autopsien darf sie nur oberflächlich durchführen - ansehen ja, aufschneiden nein. Zwar beeinträchtigt sie dies stark in ihren Erkenntnissen, dennoch gelingt es ihr, erste Hinweise auf den Ort des Verbrechens herauszufinden. Zusammen mit ihren zwei Begleitern Mansur und Simon geht sie diesen Spuren nach. Dabei findet sie nicht nur heraus, wer der Mörder ist, sondern gerät sogar selbst in dessen Fänge...
Ein spannender Geschichtsthriller mit gleich zwei für die damalige Zeit brisanten Themen. Nicht nur, dass die Hauptperson eine Frau ist, sondern sie untersucht Leichen. Das in Kombination konnte einen Menschen innerhalb kürzester Zeit auf den Scheiterhaufen bringen. Somit hat der Roman dadurch schon seinen ersten Reiz für Interessierte. Doch kann die Geschichte die Erwartungen der Hörer erfüllen? Teilweise, denn auch wenn es der Autorin gelungen ist, einen spannenden und fesselnden Roman zu verfassen, bleiben doch einige Kritikpunkte. Allen voran das Hauptthema des Buches, eine Pathologin im Mittelalter. Sicherlich gab es diese und sicherlich hat die Autorin zu diesem Thema umfassende Recherchen angestellt. Dennoch wirken viele Aktionen und Reaktionen Adelias so, als wäre sie wäre sie einem Jeffersonian-Institut entsprungen. Mit ordentlichem Gesichtsschutz und einem (wenn auch unfreiwilligen) Assistenten untersucht sie die Kinderleichen und notiert sich jede Besonderheit. Zusätzlich nimmt sie Proben von verdächtigen Bonbons oder Stoffen und - nein, sie schickt sie nicht ins Labor, aber man rechnet fast mit einem solchen Kommentar. Auch sonst passt die Protagonistin nicht so richtig in die Handlung. Durch ihre freche und aufmüpfige Art soll sie zwar als starke Persönlichkeit erscheinen, tatsächlich wirkt dies aber sehr fehl am Platze.
Auch sprachlich kann Ariana Franklin nicht richtig überzeugen. Zu modern klingt die Sprache des Buches, was zwar mittlerweile selbstverständlich in historischen Romanen geworden ist, dennoch aber nicht passt.
Gelesen wird das Hörbuch von Beate Himmelstoß. Doch so richtig kann die Sprecherin die Hörer nicht in den Bann ziehen. Zwar gelingt es ihr, die Handlung gut vorzutragen und auch stellenweise ihrer Stimme verschiedene Facetten zu verleihen, aber wenn es darum geht den Charakteren eine eigene Stimme zu geben, missglückt ihr dies.
Somit ist "Die Totenleserin" ein mittelmäßiger Hörgenuss. Die Handlung ist insgesamt spannend und erst einmal begonnen, möchte man auf jeden Fall wissen, wie es weiter geht. Aber sprachlich, sowohl seitens der Autorin als auch der Sprecherin, kann das Werk nicht vollends überzeugen. Für Fans historischer Romane, die auch einen Einblick in die gesellschaftlichen und politischen Gepflogenheiten jener Zeit haben wollen, ist dieses Hörbuch nicht zu empfehlen.
Details
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Sprache:Deutsch
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Erschienen:03/2008
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Umfang:6 CDs
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Typ:CD
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ISBN 13:9783867172134
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Spieldauer:464 Minuten