In der Geschichte der verschiedenen Transportmedien für Geschichten gibt es einige einschneidende Ereignisse. Die Hörspielfassung von „Der Krieg der Welten“ („War of the Worlds“) aus dem Jahr 1938 ist eine davon. Die Adaption von H. G. Wells gleichnamigem Roman in einer Produktion von Orson Welles hat eine zigtausende Menschen in Aufruhr versetzt. Bei Lübbe Audio ist nun eine näher am Originalroman, aber dennoch sehr aufwändig produzierte Version erschienen.
Erster Kontakt: Typisch Menschen
Vieles auf der Erde passiert als Wettlauf. So auch die Bezwingung des Nordpols. Robert E. Peary ist fest entschlossen, als erster dort anzukommen. Dabei ist er unbarmherzig gegenüber sich selbst – er verliert acht Zehen aufgrund von Erfrierungen – als auch gegenüber seinen Leuten. Doch etwas Ungewöhnliches geschieht bei seinem Versuch der Polbezwingung. Ein Himmelskörper, geformt wie ein Zylinder, fällt vom Himmel und bohrt sich in das Eis. Rote Flechten, die sich im Krater befinden, befallen den Bruder von Arne Sjörendsen, der Peary dazu überredet, mit dem Verletzten in die Zivilisation zurückkehren zu dürfen. Trotz aller Bemühungen stirbt der Mann jedoch und Sjörendsen wendet sich mit seinen Informationen an die Presse. Dank guter Kontakte und dieser Informationen schafft es Reporter Fergus McBiggs zum Absturzort eines weiteren Zylinders durchgelassen zu werden. Er soll mit einem Wissenschaftler das Objekt untersuchen. Doch tastsächlich wird dies zum Fiasko, als sich das Objekt als Transportmittel extraterrestrischer Kreaturen herausstellt, welche die Menschen rund um sich herum mit Hitzestrahlen angreifen und durch konventionelle Waffen nicht zu besiegen sind. Dann geht es sehr schnell. Gewaltige dreibeinige Kampfmaschinen und Flugobjekte beginnen überall auf der Erde aufzutauchen und alle Länder mit Terror zu überziehen. Überall sind Menschen auf der Flucht, darunter auch Cillian McBiggs, Fergus‘ Bruder. Menschen werden gefangen genommen, verarbeitet und ausgelöscht. Die Situation scheint aussichtslos und die Menschen zeigen angesichts der Katastrophe keineswegs Charakter…
Historische Vorbilder
In modernen Hollywoodstreifen reagiert man bei einer Alien-Invasion insofern, dass man sofort jegliche Vorbehalte, Vorurteile und alte Streitigkeiten über Bord wirft und gemeinsam gegen die Aggressoren vorgeht. Zugegeben, das ist etwas idealistisch gedacht. Sowohl der Roman von H. G. Wells als auch die aktuelle Interpretation als Hörspiel zeichnen die Menschheit in deutlich weniger euphorischen Farben. Kopflose Panik, der Wunsch andere zuerst über die Klippe zu stoßen und sogar Rassenwahn im Angesicht der drohenden völligen Vernichtung zeigen mehr von dem, was das ursprüngliche Thema des Buchs besser widerspiegelt. Denn es ist nicht der Einfallsreichtum der Menschen, der die Außerirdischen in die Knie zwingt. Nicht einmal die gewaltige Feuerkraft der „Thunderchild“, einem mit den modernsten und durchschlagskräftigsten Waffen ausgestatteten Kriegsschiff der englischen Marine, kann mehr als punktuelle Erfolge gegen die weit überlegenen Maschinen der außerirdischen Angreifer anrichten. Letztendlich wird die Menschheit durch etwas völlig anderes gerettet – womit niemand mehr gerechnet hat.
Die Hörspielumsetzung
Die gut adaptierte Geschichte, die den namenlosen Charakteren des Ursprungsromans nicht nur eigene Namen verleiht, wird durch die herausragende Hörspielproduktion auf ein ganz neues Niveau gehoben. Hier bekommen alle wichtigen Personen eine eigene (bekannte) Stimme und darüber hinaus erhält die Geschichte die passende Geräuschkulisse und stimmungsvolle Hintergrundmusik. Unter anderem beteiligt sind Sprecher wie Andreas Fröhlich, Sascha Rotermund, Till Hagen und Santiago Ziesmer. Auch die Länge des Werks ist so bemessen, dass man es sich gut in vier Etappen anhören kann. So und nicht anders muss man einen Klassiker – der vor allem im entsprechenden Medium mit einer besonderen Vorgeschichte aufwarten kann – richtig umsetzen. Für alle Liebhaber klassischer Science-Fiction, der Kinofilme und Hörspielen ist diese teils beklemmende, teils angsteinflößende Umsetzung eigentlich ein Pflichtkauf.
Hörspiele, die historischen Vorbildern nacheifern, sind nicht immer gelungen. Doch die bei Lübbe Audio erschienene Neufassung von „Der Krieg der Welten“ ist in der Lage, so gut wie alle Kritiker zu überzeugen. Mit hervorragenden und bekannten Sprechern (unter anderem), einer perfekten Balance zwischen Hintergrundgeräuschen und Soundtrack, sowie einer perfekt für vier Etappen ausgelegten Produktion bleiben keine Wünsche offen. Es handelt sich um ein Hörspiel, so wie es sein soll, das man fast ohne Einschränkungen empfehlen kann. Einzig und allein schwache Nerven und Widerwille gegen jegliche Form von Gewalt wären Gründe, das Werk nicht zu kaufen.
Details
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Erschienen:03/2017
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Umfang:4 CDs
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Typ:CD
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ISBN 13:9783785755136
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Spieldauer:300 Minuten