Manchmal hat man irrationale Ängste. Lauern in finsteren, herbstlich kalten Wäldern Wölfe, um Wanderer anzugreifen? In der Regel ist das nicht der Fall. Trotzdem beschleicht einen manchmal ein ungutes Gefühl, wenn man sich in einer derartigen Situation befindet. Ob dafür die Märchen aus unserer Kindheit schuld sind? Diana Menschig nähert sich der Materie in ihrem Roman „So finster, so kalt“ aus einer etwas anderen Richtung an. Das Werk ist nun bei Audible als Hörbuch erschienen.
Der Alltag einer Rechtsanwältin besteht mitunter daraus, sich in schwierige Materie einzulesen, fragwürdige Mandanten zu vertreten und Geld für die jeweilige Kanzlei hereinzubringen. Aus einem solchen Alltag herausgerissen zu werden ist gar nicht so einfach, kann einem aber die Augen öffnen. Das stellt Merle Hänssler fest, nachdem sie überraschend vom Tod ihrer Großmutter erfährt. Die lebkuchenbackende Märchenforscherin hatte immer eine besondere Beziehung zu Merle. Und da sich ihr Vater gerade in Kanada aufhält und nicht erreichbar ist, muss sie sich wohl oder übel um die Abwicklung von Begräbnis und den Umbau des Hauses kümmern. Über einige Aufzeichnungen eines Märchenforschers, der eine Verbindung mit der Geschichte eines Vorfahren von Merles Großmutter und der möglichen Urform des Märchens „Hänsel und Gretel“ hergestellt hat, lernt Merle Professor Wolff kennen. Danach überschlagen sich die Ereignisse. Seltsame Mädchen wandern durch den Wald, es gibt Geistererscheinungen und verbotene Orte werden plötzlich real. Bildet sich Merle das alles ein oder lauert irgendwo im Hintergrund tatsächlich ein „Böser Wolf“?
Es ist nicht wirklich klar, worauf das Buch hinausläuft. Zumindest zu Beginn wird, bis auf die Märchen-Erzählungen und Rückblicke, eine zutiefst rationale Geschichte erzählt. Erst gegen Mitte des Werks kippt die Handlung und nimmt immer phantastischere Züge an. Die Vorstellungskraft wird lebendiger und die düstere überlieferte Form von „Hänsel und Gretel“ lauert genauso im Hintergrund, wie die Vorstellung eines Wolfs, der ein etwas anderes Ziel hat, als Rotkäppchen zu fressen. Etwas sprunghaft ist der Charakter der Protagonistin, die einmal als kühl berechnende Anwältin vorgeht, dann aber wieder Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft, die man bei einer Frau ihres Alters und ihrer Erfahrung eigentlich nicht erwartet. Vielleicht hat dies aber mit ihrer märchenhaften Vergangenheit im Knusperhäuschen zu tun.
Das Hörbuch wird von Kerstin Lange gelesen, die besonders in den Märchensegmenten und wenn es um Erzählungen aus Sicht von Kindern geht, den richtigen Ton trifft. Aber auch der Rest des Buchs ist gut erzählt. Nicht ganz ideal ist jedoch die Tracksetzung des Hörbuchs. Dieser orientiert sich strikt an den Kapiteln. So hat man manche Kapitel, die fünf bis fünfzehn Minuten lang sind, aber andere, die eine Stunde und mehr dauern. Das ist aber vermutlich Geschmackssache.
„So finster, so kalt“ ist ein Roman von Diana Menschig aus dem Jahr 2014, der nun auch als Audible-Hörbuch erschienen ist. Wie auch der Roman vermag das Hörbuch sehr gut Realität und Märchen auf phantastische Weise ineinander fließen zu lassen. Die Mischung, in der etwas Horror, eine Prise Erotik und auch einige Tropfen Blut enthalten sind, vermag gut zu unterhalten und Sprecherin Kerstin Lange hilft mit der entsprechenden Stimmlage dabei, die mitunter ein wenig wankelmütig wirkende Protagonistin besser zu verstehen.
Details
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Erschienen:11/2020
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Typ:Sonstiges
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Altersempfehlung:16 Jahre
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ISBN 13:9783426514931
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Spieldauer:651 Minuten