So finster, so kalt

von Diana Menschig
Rezension von Stefan Cernohuby | 03. Juli 2014

So finster, so kalt

Die meisten Märchen die wir heute kennen, haben historische Grundlagen oder Hintergründe. Dabei kann es sein, dass die ursprüngliche Bedeutung oder gar die zu Grunde liegende Situation komplett umgekehrt wurde und nun das Gegenteil aussagt. Diana Menschigs Roman "So finster, so kalt" widmet sich einer Familie, deren Wurzeln möglicherweise bis zu einer Märchengestalt zurückreichen.

Merle Hänssler ist nicht nur Rechtsanwältin, sondern hat auch eine märchenhafte Vergangenheit. Denn ihre lebkuchenbackende Großmutter lebte ihr ganzes Leben in einem Knusperhäuschen aus dem 16. Jahrhundert. Auch den Familiennamen könnte man so auslegen, dass ein historischer Hänsel die Familie begründet hat. Doch all die Erinnerungen an die märchenbegeisterte alte Dame haben einen schalen Beigeschmack, ist Großmutter Mago doch eben erst verstorben. Merle erhält, da ihr Vater auf Kanada-Urlaub ist, ein eigentlich an ihn gerichtetes Paket mit Aufzeichnungen ihrer Großmutter. Dabei handelt es sich einerseits um phantastisch anmutende Aufzeichnungen eines historischen Hans, andererseits um das Statement eines ehemaligen Professors, der den Aufzeichnungen historische Relevanz einräumt. Merle, die sich gerade von ihrem Freund getrennt hat, bittet einen Professor Wolff, dessen Fachschwerpunkt Sagen des süddeutschen Raums sind, um Hilfe. Während sich die beiden näher kommen, verschwinden rund um das alte Knusperhaus mehrere Kinder. Als Geister auftauchen, seltsame Mädchen durch den Wald wandern und ein verbotener Baum erwacht, scheint die Wirklichkeit immer mehr dem Unheimlichen zu weichen. Und Merle stellt sich eine weitere Frage. Ist der Name ihres neuen Freundes Jakob Wolff tatsächlich nur Zufall oder ist er tatsächlich der "Böse Wolf"?

Zu Beginn ist dem Leser nicht wirklich klar, was er in jenem Buch zu erwarten hat. Es beginnt, abgesehen vom einleitenden Lebkuchen-Rezept, zwar düster und von Märchen beeinflusst, aber doch rational. Im Laufe der Handlung kippt das Buch und wird deutlich phantastischer. Man meint beim Lesen eine Ahnung zu verspüren, dass der Autorin die Grahpic-Novel-Reihe "Fables" - eine preisgekrönte Serie, die sich um lebende Märchen und Sagengestalten dreht - gut gefallen zu haben scheint. Etwas, was Diana Menschig in ihrem Nachwort bestätigt. Doch die Geschichte, die im Buch erzählt wird, ist vielleicht durch andere Literatur inspiriert, jedoch keineswegs abgekupfert. So ist auch die "neue" Version von Hänsel und Gretel deutlich anders dargestellt, ebenfalls sehr düster und geheimnisvoll. Nur einige wenige Details sind nicht ganz so glaubwürdig. So beobachtet die Anwältin mit eigenen Augen, wie einem Kind von einer Art Rehmonster die Kehle herausgerissen wird, und schüttelt das bereits auf den nächsten beiden Seiten ab. Auch wechselt die Vorgehensweise der Antagonistin von sehr überlegt, über reichlich naiv bis hin zu komplett geistlos. Etwas, das nicht unbedingt nachvollziehbar ist.
Insgesamt ist "So finster, so kalt" jedoch ein spannendes Buch, dem es geschickt gelingt, die Gegenwart mit Märchen zu verbinden, keine zu expliziten Sexszenen beinhaltet und dessen Happy End nicht zu gekünstelt wirkt.

"So finster, so kalt" von Diana Menschig ist ein phantastischer Roman, der Realität und Märchen ineinander fließen lässt. Eine gute Mischung, die unterhaltsame Lektüre verspricht. Ein solider Roman, der (düsteren) Märchenfans sicherlich zu gefallen weiß, auch wenn man das Werk nicht unbedingt als außergewöhnlich bezeichnen muss. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt jedoch in jedem Fall.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    04/2014
  • Umfang:
    384 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • ASIN:
    3426514931
  • ISBN 13:
    9783426514931
  • Preis (D):
    8,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
    Keine Bewertung
  • Gewalt:
  • Gefühl:
  • Erotik:

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