Das Vermächtnis der Grimms

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

von Nicole Böhm
Rezension von Emilia Engel | 02. September 2020

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Wer kennt sie nicht, die Märchen der Gebrüder Grimm? Aschenputtel, Rapunzel, der Froschkönig und viele mehr zählen zu Jacob und Wilhelm Grimms Vermächtnis. Doch sind es wirklich nur Märchen? Was, wenn plötzlich die Märchen wahr werden und in die Realität eingreifen? Wie bekämpft man etwas, das der Fantasie entspringt?

Deutschland, heute:
Kristin ist eine toughe junge Frau, die sich gerne im Leben treiben lässt. Etwas, was Kris gar nicht leiden kann, sind Lügen. Ganz besonders, wenn sie in schriftlicher Form erfolgen. Denn die junge Frau hat seit ihrer Kindheit eine einzigartige Gabe: sie kann die Wahrheit zwischen den Zeilen lesen. Dabei versinkt sie im Text und taucht ein in eine Vision, die ihr die Wahrheit zeigt. Nur ihr Bruder Braydon weiß darüber Bescheid.
Eine Vision bringt Kris dazu, sich sofort bei ihrem Bruder zu melden und dieser befiehlt, dass sie sofort zu ihm nach Deutschland kommen soll. Braydon arbeitet bei einem amerikanischen Geheimdienst und ist im Moment in einer Sondereinheit in Frankfurt. Natürlich ist alles streng geheim, niemand darf davon erfahren.
Was Kris nach Frankfurt geführt hat, sind die Grimm-Morde. Seltsame Morde, die an den Märchen der Brüder Grimm angelehnt sind. Kris hatte in einer Live-Übertragung des Täters ein Symbol gesehen, das sie sofort in eine Vision gezogen hat. Nun soll sie im Team von Braydon mithelfen und versuchen, die Morde aufzuklären. Doch ihre Visionen werden fantastischer als jemals zuvor und sie kommt dem Grimm, einem gefährlichen riesigen Wolfswesen, das nicht nur in der Fantasie sein Unwesen treibt, gefährlich nahe.

Nubra-Tal, Indien, 14.Jahrhundert:
In einem abgeschiedenen Kloster lebt eine kleine, gut verborgene Gemeinschaft. Die Mitglieder dieses Klosters haben die außerordentliche Gabe des Geschichtenschreibens. Ihre Geschichten werden, sobald sie fertig sind, einer mystischen Frau vorgelegt, die darüber bestimmt, ob sie in dem Fantasiereich Abalion zugelassen wird. Diesen Geschichten und Worten wohnt viel Macht inne, denn sie bestimmen das Leben in diesem Reich.
Die Mitglieder der Gemeinschaft harmonieren perfekt miteinander. Doch als ein überraschender Gast auftaucht, kommt das ganze Gefüge ins Wanken. Ein Stein kommt ins Rollen, der alle Beteiligten ins Unglück zieht und auch noch jene betrifft, die nach ihnen kommen.

Nicole Böhm hat mit “Das Vermächtnis der Grimms” einen spannenden Fantasyroman mit einem interessanten Thema geschrieben. Märchen faszinieren die Menschen seit jeher und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie sind etwas mystisches und magisches, das nicht nur Kinder in ihren Bann zieht. Also das perfekte Thema, um daraus einen Fantasyroman zu machen.
Doch nicht nur die Tatsache, dass die Märchen in die Realität eingreifen und als Mordserie wahr werden, wird die Leserschaft fesseln, sondern auch die Geschichte, die die Autorin hinter den Märchen schreibt. Denn die Märchen, die wir als die der Grimms kennen, kommen hier ursprünglich von einer Gemeinschaft namens Masali, die den Geschichten mit ihren Worten Leben einhauchen.
Und somit kommen wir zu Erzählstrang Nummer drei, denn es gibt nach der Geschichte in der Gegenwart und der im 14. Jahrhundert noch mehr. Das Land Abalion, das wir uns als Parallelwelt vorstellen können, in das die Märchen der Geschichtenerzähler entlassen werden. Hier sind alle Märchen Wirklichkeit und hier folgen wir einem draufgängerischen Typen namens Ash.
Natürlich ist von vornherein klar, dass sich alle drei Erzählstränge miteinander verweben werden. Doch die Leser und Leserinnen müssen warten bis es soweit ist.
Dennoch wird es nicht langweilig, denn man lernt so erst einmal in Ruhe alle Welten für sich kennen, bevor sie beginnen, ineinanderzugreifen.
Nicole Böhm hat einen lockeren und mitreißenden Schreibstil, der die Leserschaft schnell und leicht durch das Buch trägt. Die Charakteren sind großteils eher oberflächlich gehalten, worauf man sich vorab einstellen sollte.
Die Protagonistin ist wie gesagt eine starke junge Frau mit einer faszinierenden Gabe. Das wird vor allem die Leserinnen ansprechen, die sich bestimmt gerne mit ihr identifizieren.
Ein großes Manko  stellen allerdings einige Fehler bzw. Widersprüche dar - geschichtliche Details, aber auch unlogische Fakten, etwa, dass ein amerikanischer Geheimdienst in Deutschland Ermittlungen leitet.
Natürliches ist es ein Roman und kein Sachbuch, dennoch erwarten die Leser und Leserinnen zumindest im nicht-phantastischen Teil  der Geschichte mehr Authentizität.

Trotz aller Kritikpunkte, vor allem wenn man sich derer vorab schon bewusst ist, ist dieses Buch ein wirklich unterhaltsames Buch aus dem Fantasy-Bereich. Die Autorin hat einzelne Erzählstränge gut miteinander verwoben und eine Geschichte erschaffen, die  durchdacht scheint. Es gibt zahlreiche Überraschungen, unerwartete Wendung, Liebesgeschichten, toughe Frauen, coole Männer und natürlich Monster. Für eine leichte Lektüre zwischendurch ist es eine absolut gute Empfehlung. Und wer danach mehr will: Der zweite Band dieser Dilogie ist ebenfalls schon erschienen.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:

Könnte Ihnen auch gefallen: