Äneas

von Gustav Schwab
Rezension von Stefan Cernohuby | 10. August 2021

Äneas

Spricht man von Fanfiction, geht man in der Regel davon aus, dass diese zu irgendeiner Buchreihe in den letzten Jahrzehnten entstanden ist. Tatsächlich könnte man den Begriff aber auch viel weiter ausdehnen. Der römische Dichter Vergil nahm sich Homers Illias zum Vorbild, um die Geschichte in seinem Sinne fortzusetzen. Diese trägt den Titel „Äneas“ und wurde von Gustav Schwab in den Zyklus der Griechischen Heldensagen aufgenommen.

Nachdem Troja gefallen ist, bedeutet dies für alle Überlebenden und geflüchteten einen Neuanfang. Darunter befindet sich auch Äneas, Halbgott und Sohn der Aphrodite. Er macht sich also auf, die Ufer seiner Heimat zu verlassen, auf der Suche nach einer neuen. Nach einigen Stationen, wo er unter anderem auf einen von Odysseus geblendeten Zyklopen trifft und dafür eine für tot geglaubtes Besatzungsmitglied des Königs von Ithaka mit sich nimmt, landet er gegen den Willen von Zeus an der Küste von Karthago. Dort trifft er auf Königin Dido, in die er sich – dank göttlicher Mithilfe – verliebt. Als ihm jedoch Göttervater Zeus (später Jupiter) unmissverständlich klarmacht, dass das nicht sein Plan für ihn ist, macht sich der Exiltrojaner mit seiner Besatzung wieder auf den Weg. Und er landet in Südeuropa, wo die nunmehr römisch benannten Götter große Pläne für ihn haben: Er soll die Stadt Rom gründen. Doch bis es soweit kommt, liegen noch viele Gefahren und Auseinandersetzungen vor ihm.

Wie schreibt man Fanfiction? Man entnimmt einen Haupt- oder Nebencharakter aus einem erfolgreichen Roman und setzt dessen Abenteuer fort. Für Vergil war dies der aus einer trojanischen Nebenlinie stammende Äneas, der in der Belagerung von Troja von Diomedes verwundet und gerade noch von seiner Mutter gerettet werden konnte. Danach fand er bei Homer keine weitere Verwendung. Genau der richtige Held, um ihn für eine eigene Geschichte zu verwenden. Solange man sich darüber keine Gedanken gemacht hat, sind die Abenteuer des Äneas nur weitere, vielleicht etwas weniger spannende Episoden des Trojanischen Kriegs und seiner Nachwirkung. Vor dem eigentlichen Hintergrund muss man sagen, dass es sich um eine Hälfte handelt, die Stark der Odyssee nachempfunden ist und eine, die versucht, einen eigenen Mythos einzubinden. In der Geschichte gab es je nach Epoche Anerkennung für das Werk oder es wurde als Nachahmung verschmäht. Zumindest hat es bis heute überdauert und ist in jenen Sagenschatz eingeflossen, den man heute noch kennt. Nüchtern betrachtet ist es aber tatsächlich eine vereinfachte und ziemlich glattgebügelte Geschichte – Fanfiction eben. Und auch wenn man dem Werk seine Wirkung nicht absprechen kann – sogar Dantes Göttliche Komödie baut zu einem Teil darauf auf – ist es weder moderner als die etwa 600 Jahre früher entstandenen Werke von Homer, noch ist sie hinsichtlich der Götter reflektierter.

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Bewertung

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