Wann wird ein Ort wirklich gefährlich? Wenn man beginnt, seine Gefahren zu ignorieren. Anthony Burgess hat mit seiner Malaya-Reihe dem Ende des Kolonialismus mit all seinen hässlichen Begleiterscheinungen eine Trilogie gewidmet, die mit „Betten im Orient“ zu Ende geht. Etwas, was man auch auf den Angelpunkt der Handlung, den Briten Victor Crabbe, beziehen könnte.
Es ist gar nicht so schwer, auf einem sinkenden Schiff die Karriereleiter hinaufzuklettern, während es die anderen bereits verlassen. Denn vom Schuldirektor wird Victor Crabbe nun sogar zum Leiter der staatlichen Schulbehörde ernannt. Selbstredend nur vorübergehend, denn er soll einen Einheimischen vorbereiten, diese Position zu übernehmen. Nachdem sich seine Frau von ihm getrennt hat und zurück nach England gereist ist, gibt sich Crabbe keinen Illusionen mehr hin. Er weiß, dass seine Zeit abläuft – und doch er will etwas hinterlassen. Sein persönliches Steckenpferd ist die Förderung eines jungen, genialen Komponisten chinesischer Abstammung. Ihm traut Crabbe zu, dem Land, das sich gerade erst selbst finden muss, eine eigene Musik zu schreiben und ihm beim Finden seiner Identität zu helfen. Dabei nimmt seine Besessenheit derartige Auswüchse an, dass ihm alle anderen eine homosexuelle Affäre mit dem jungen Musiker andichten. Dabei hat Crabbe tatsächlich nach seiner gescheiterten Ehe und etlichen zerstörerischen Affären nur kein Interesse an Frauen. Das glaubt auch Robert Loo, bis er sich verliebt. Doch hier wird es wieder kompliziert. Denn seine Angebetete sieht sich als Londonerin im Geiste, während andere ihren abgereisten Verlobten diskreditieren. Und während das Land sich auf einem Spagat zwischen Selbstfindung und Umsturz befindet, ignoriert Victor Crabbe weiter die Zeiten der Zeit. Etwas, was ihm letztendlich nicht bekommen soll.
Immer mehr rücken andere Persönlichkeiten ins Zentrum der Handlung, in dem sich immer noch Victor Crabbe befindet. Nun jedoch einsam, allein und immer noch auf der Suche nach Bedeutung. Die unterschiedlichen Volksgruppen und der Einfluss verschiedener Religionen auf das große Ganze werden immer augenscheinlicher. Man liest von einem Land, das in vielerlei Hinsicht gefährlich ist, und von einem Mann, der einige dieser Aspekte geflissentlich zu ignorieren scheint, während ihm andere offenbar nicht bewusst sind. Die titelgebenden Betten spielen im Gegensatz zu den beiden Vorgängerbänden keine große Rolle, es sei denn als Ort des Schlafes. Was der Autor aber klar darstellt, ist, wie Potenzial verschenkt wird, in jeglicher Hinsicht. Angefangen mit dem Musiker, über den Verzicht wichtiges Wissen anzuzapfen, bis hin zu Menschen, die sich von ihrer Vergangenheit niemals lösen können. Teils witzig, teils melancholisch, manchmal absurd, manchmal immer noch aktuell. So präsentiert sich der letzte Band der Malaya-Trilogie von Anthony Burgess. Eine zeitgemäße Übersetzung war hier wichtig – und man kann nur begrüßen, dass dieses Werk nun im Elsinor Verlag erhältlich ist. Es ist auch wichtig für all jene, die Burgess stets nur auf „A Clockwork Orange“ reduziert haben, denn er hatte eine viel größere literarische Bandbreite.
„Betten im Orient“ ist der dritte und letzte Band der Malaya-Trilogie von Anthony Burgess. Es ist ein Werk, das sowohl Witz als auch Tragik enthält. Es zeigt, dass ein Neubeginn sehr schwierig sein kann, wenn man sich nicht von der Vergangenheit zu lösen vermag oder eben kein Interesse hat, Lehren aus derselben ziehen. Das Werk ist, zusammen mit seinen beiden Vorgängerbänden, eine Empfehlung wert. Und schließlich wurden sie erst jetzt nach vielen Jahren in deutsche Sprache übersetzt.
Details
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Originaltitel:Beds in the East
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Band:3
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Erschienen:07/2022
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Umfang:244 Seiten
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Typ:Hardcover
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ISBN 13:9783942788656
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Preis (D):34,00 €