Malaya-Trilogie

Der Feind in der Decke

von Anthony Burgess
Rezension von Stefan Cernohuby | 15. September 2022

Der Feind in der Decke

Grundsätzlich sind Beförderungen in eine höhere Position etwas Wünschenswertes. Es gibt jedoch Situationen, in denen man sich Gedanken darüber machen sollte, ob eine bessere berufliche Position all das aufwiegt, was mit ihr einhergeht. Anthony Burgess hat in „Der Feind in der Decke“, dem zweiten Band seiner „Malaya-Trilogie“, einen Protagonisten erschaffen, der die Realität etwas anders wahrzunehmen scheint als der Rest der Menschen um ihn herum.

Victor Crabbe, der als Lehrer in Malaya tätig ist, erhält überraschend eine neue Position. In einem Land, aus dem sich die Briten sukzessive zurückziehen, hält er es jedoch immer noch für seine Pflicht, Bildung und Struktur weiterzuvermitteln. Als Schuldirektor sieht der die Chance dazu noch größer als zuvor als Lehrer. Dabei übersieht er geflissentlich, dass ihn niemand an dieser Stelle haben will. Seine Frau will das Land verlassen, sein Stellvertreter neidet ihm den Posten, die ihm untergebenen Lehrer unterrichten halbherzig oder predigen den Untergang der Weißen. Es kommt überall zu Unruhen, denn die verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die in Anwesenheit der englischen Kolonialherren immer unterdrückt worden waren, wollen sich nun selbst verwirklichen. Dabei prallen viele Gegensätze aufeinander. Die zahlreichen, aber meist armen Malaien, die wirtschaftlich denkenden Chinesen und viele Inder, die als Gastarbeiter im Land sind. Aber auch das Zusammenspiel von Geld und Religion wird zunehmend problematisch, besonders in Wechselwirkung mit den im Kolonialismus etablierten Gebräuchen. So entschließt sich beispielswiese Crabbes alter Bekannter Rupered Hardman, der als Antwalt arbeitet, zu konvertieren und eine muslimische Witwe zu heiraten, um sich finanziell abzusichern. Etwas, was zwar keinen Einfluss auf seinen Alkoholkonsum hat, aber trotzdem gnadenlos scheitert. Doch auch Crabbes Leben funktioniert nicht mehr so, wie er es gewohnt ist. Der Regierungschef der Region will sein Auto für dessen Sammlung, er wird ständig wegen seiner Herkunft drangsaliert und behandelt im Gegenzug seine zweite Frau schäbig – er misst sie ständig an seiner ersten großen Liebe, die ihm durch den Tod genommen wurde und lässt sich dementsprechend leicht auf den falschen Weg führen. Und obwohl viele Dinge genau so kommen, wie erwartet, hält das Ende des Romans doch eine Überraschung bereit.

Der zweite Band der Malaya-Trilogie (im englischen Original „The Log Day Wanes“) erweitert im Vergleich zum ersten die Perspektive der Betrachtung. Hatte „Jetzt ein Tiger“ den Fokus auf Crabbes Leben, wird jetzt immer mehr von den gesellschaftspolitischen Umwälzungen deutlich. Denn was bisher hinter dem Rücken des Engländers passierte, spielt sich jetzt vor seinen Augen ab. Er erfährt offen Ablehnung und wird erstmals in seinem Leben wirklich ausgebotet, obwohl er eigentlich nur zum Wohl aller arbeiten will. Andere erkennen den Wandel früher und beschließen sich aus dem Staub zu machen. Etwas, wofür er scheinbar zu stoisch ist, egal ob sein Leben in die Brüche geht, ihn seine Frau verlässt oder sein Auto in Brand gesteckt wird. Liest man den Band, erkennt man sehr viele Parallelen zur unserer heutigen Gesellschaft und fragt sich unwillkürlich, wie oft die Menschheit ihre eigenen Fehler wiederholt. Man kann auch nachvollziehen, warum die Trilogie im damaligen Malaya, das später im heutigen Malaysia aufgegangen ist, damals wie heute unerwünscht war. Und ja, natürlich wurde das Werk von einem Engländer aus seiner damaligen Perspektive verfasst, was es etwas voreingekommen wirken lassen könnte. Und doch verhehlt er die Versäumnisse der einstigen Kolonialmächte nicht, was das Werk zu einer interessanten Betrachtung von Zeit und Land werden lässt.

„Der Feind in der Decke“ ist der zweite Band von Anthony Burgress‘ Malaya-Trilogie. In diesem erweitert der Autor der Perspektive erheblich und stellt nicht nur die Situation für einen Engländer dar, der in Malaya eigentlich längst fehl am Platz ist. Er stellt im Rahmen der Handlung auch die Suche nach der Identität eines Landes und aller interner Konflikte, inklusive Bevölkerungsgruppen und Religionen dar. Das macht das Werk auch im historischen Kontext sehr interessant.

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