Feuer und Eis


Mit Leidenschaft zum Erfolg
von Dagur Sigurdsson
Rezension von Manfred Weiss | 16. November 2016

Feuer und Eis

Handball ist ein harter, präziser und körperbetonter Sport. Physisch und taktisch herausfordernd, blitzschnell und auf engem Raum gespielt. Robustheit, Härte, aber auch Leidenschaft und Schläue sind wichtige Qualitäten der Spieler. Es ist ein Sport mit treuen und begeisterten Fans, aber nicht unbedingt ein Sport, wo die Millionen nur so fließen.
Und Handball ist eine Domäne Islands, nicht in erster Linie des Nationalteams, aber der einzelnen herausragenden Spieler- und Trainerpersönlichkeiten. Dagur Sigurdsson ist momentan vermutlich der bekannteste Name des isländischen Handballs. Seine Erfolge als Trainer mit den Nationalteams Deutschlands und Österreichs haben ihn weit über die Grenzen Islands bekannt gemacht. Eine Schilderung seiner bisherigen Karriere legt er nun in “Feuer und Eis” vor.

Das Buch beginnt mit der Geschichte der nächsten Vorfahren von Dagur Sigurdsson, die ihm Sport und auch den Willen zum Gewinnen schon in der Kindheit begeistert vermittelt haben. Und die Saat fiel auf fruchtbaren Boden.
Sigurdsson erzählt von den ersten Versuchen in Handball und Fussball, von Lektionen, die ihm Eltern, Trainer und Mitspieler mit auf den Weg gegeben haben. Das Buch handelt auch von den wechselnden Stationen seiner Entwicklung, vom Cafe-Besitzer und -Betreiber in Island bis zum mehrhundertfachen Spieler im isländischen Handballnationalteam und schließlich zum Trainer der deutschen Handballnationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Rio 2016. Und auch in Österreich war er dazwischen als Spieler in Bregenz und als Trainer des Nationalteams erfolgreich.
Es ist die Geschichte von Dagur Sigurdsson bis jetzt, aber wenn beim Lesen eines gewiss wird, dann, dass dieser Geschichte noch viele weitere Stationen folgen werden.

Das Buch ist einem einfachen, leicht lesbaren Erzählstil geschrieben. Zumeist chronologisch, manchmal auch themenzentriert. Über weite Strecken ist das Buch sicher auch für nicht Handballbegeisterte gut lesbar und eine spannende Lebensschilderung. Gegen Ende hin tritt dann allerdings der Handball mehr und mehr in den Vordergrund. Bis hin zur detailreichen Schilderung von Schlüsselspielen und Schlüsselszenen in verschiedenen Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und olympischen Spielen.
Für den Handballfan eröffnet sich ein Blick aus der Spielfeldrandperspektive auf Spiele, die dem einen oder anderen sicher noch in Erinnerung sind.
Geprägt ist das Buch auch von der großen Liebe und Begeisterung von Sigurdsson für seine Heimat. Per se ein Weltenbummler des Handballs bleibt für ihn Island die große Konstante. Vor allem im Älterwerden und in der Rolle als Trainer ist es auch ein Rückzugsort für sich mit seiner Familie oder für Vorbereitungen mit seiner ganzen Mannschaft.
Dieser Blick auf Island, Land, Leute und Kultur ist ein faszinierender und spannender Teil des Buches. So wird Sigurdsson  nicht nur zum Botschafter des Handballs, sondern auch Islands selbst.
Illustriert ist das Buch mit zahlreichen Fotos aus dem Privatarchiv Sigurdssons. So bekommen die handelnden Personen, sei es aus dem privaten, sei es aus dem beruflichen Kreis auch Gesichter. Im Farbfototeil in der Mitte findet man dann auch noch einige professionelle Fotos aus seiner bewegten Karriere als Spieler und Trainer.
Sigurdsson beschäftigt sich in dem Buch natürlich auch mit seinen Vorstellungen zum Umgang mit Einzelspielern und Teams, zu Motivation, zu Siegeswille, zu der Rolle von Schiedsrichtern und seinem Umgang mit diesen. Der Untertitel des Buches “Mit Leidenschaft zum Erfolg” passt daher. Man darf sich allerdings nicht die großen Anleitungen, die tiefgründigen Lebensweisheiten, die weisen Zitate, wie sie viele Biografien enthalten, erwarten. Sigurdsson hat gemeinsam mit seinem Co-Autor Fred Sellin ein fast dreihundert Seiten langes Buch verfasst, weist aber immer wieder darauf hin, dass er eigentlich kein Mann vieler Worte ist, sondern bei sprachlicher Kommunikation die Qualität meist in der Kürze sieht.

Das Buch ist eine angenehme, leicht lesbare Unterhaltung, nicht nur für Handballbegeisterte sondern für Sportinteressierte generell. Ein wenig ist es auch ein Appetitanreger für eine Reise nach Island selbst. Trainer und Aktive, egal welcher Sportarten werden darin sicher die eine oder andere Anregung finden, die eine oder andere Parallele zum eigenen Sport.
Es ist aber kein Buch für Leser, die eine Anleitung suchen wie man ein erfolgreicher Sportler oder Trainer wird. Man darf sich keine neuen tiefgründigen Weisheiten zu Spiel, Team, Leben und Lebensglück generell erwarten. Alles ist unmittelbar, nah, pragmatisch. Sigurdsson bietet an, aber formuliert nicht aus. Er ist kein Yoda. Was man nimmt, daraus macht, bleibt in der Hand des Lesers. Der Satz “Wie Dagur Sigurdsson immer gesagt hat”, wird auch zukünftig nicht oft fallen. Eher “Ich hab da in der Biografie von Dagur Sigurdsson [...] gelesen und das hat mich auf die Idee gebracht”.

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