Bittersüßer Nachtschatten

von Ann-Kathrin Wasle
Rezension von Stefan Cernohuby | 31. Oktober 2021

Bittersüßer Nachtschatten

Die meisten Menschen würden sich vermutlich selbst nicht als Antagonisten betrachten, sondern als Protagonisten ihres eigenen Lebens. Leider wird dabei oft übersehen, wie mit den Nebencharakteren umgegangen wird. Denn diese haben eine ganz eigene Perspektive. Wissen und Macht, der Missbrauch von beidem und ein nächtliches Prag sind nur einige Ingredienzien in Ann-Kathrin Wasles Roman „Bittersüßer Nachtschatten“.

Rita ist normalerweise eine selbstbewusste Frau. Das muss sie auch sein, wenn sie im Gastgewerbe von Prag arbeiten will, auch wenn sie ihre Erlebnisse mitunter dadurch kompensiert, dass sie zu einer Rasierklinge greift und sich mit dieser zeichnet. Doch an manchen Tagen wird ihr das Nachstellen von Männern einfach zu viel, wenn sie einfach nur in Ruhe tanzen will. So wie in einer schicksalshaften Nacht, in der ihr eine wildfremde Frau von einer Party in der Unterwelt von Prag erzählt. Und als sie sich tatsächlich in jener vergessenen Basilika einfindet, äußert sie dort einen Wunsch, der sich fortan auf ihr Leben auswirken soll. Denn ein Glasfüller verleiht ihr daraufhin die Fähigkeit, die Schwächen und dunklen Geheimnisse aller Menschen rund um sie herum zu erkennen – und dieses Wissen gegen all jene zu richten, die in ihren Augen etwas Böses tun. Doch schnell stellt sie fest, dass sie einen Pakt mit Mächten geschlossen hat, die nicht unbedingt daran interessiert sind, dass aus ihren Fähigkeiten etwas Gutes erwächst. Nun muss sie sich selbst die Frage stellen, wie sie ihren weiteren Weg gehen will. Den Weg der Rache oder jenen der Vergebung. Und welche Rolle wird dabei ihr Freund Michal spielen?

Es ist immer schwierig, innere Konflikte darzustellen. Ann-Kathrin Wasle macht das in ihrer Geschichte behutsam. Sie zeigt schon vorab die Situation der Protagonistin, stellt ihre Methoden dar, mit dem Alltag und mit Stress umzugehen und setzt sie dann einer Situation aus, die alle Dämme brechen lässt. So gibt sie den Rahmen für eine Entscheidung vor, die dramatische Folgen hat. Was allerdings nicht klar herauskomm, ist, wieso alles gerade zu diesem Zeitpunkt passiert. Mit Michal hat Rita gerade einen sehr freundlichen und zurückhaltenden Verehrer, den sie im weiteren Verlauf der Handlung sogar zu schätzen weiß. Ja, sie wird Eingangs beim Tanzen gestört und in typischer Manier belästigt. Aber ist es bereits teuflischer Einfluss, der sie dazu bringt, die weiteren Schritte zu unternehmen. Denn man stellt sich als Leser schon die Frage, was anders war, als die mutmaßlichen Jahre vor den Ereignissen des Buchs. Gut dargestellt ist das Begreifen dessen, was Rita getan hat. Trotzdem steht sie letztendlich vor einer wichtigen Entscheidung. Und man kann an dieser Stelle sagen, dass verschiedene klassische Gestalten der Phantastik nicht mit selbiger einverstanden wären. Hier wäre möglicherweise etwas mehr Konsequenz besser gewesen.

„Bittersüßer Nachtschatten“ von Ann-Katrhin Wasle behandelt gleichermaßen ernste zwischenmenschliche wie auch phantastische Inhalte. Der Roman stellt glaubwürdig eine charakterliche Wandlung dar, die zwar durch teuflischen Einfluss unterstützt wird, aber trotzdem ihre Gründe im Verhalten der Menschen hat. Leider fehlt dem Werk ein wenig die letzte Konsequenz, wenn es um die Entscheidung der Protagonistin geht, was es zwar zu einem soliden, leider aber zu keinem herausragenden Buch macht.

Details

Bewertung

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