Der Postillon: Real News

von Stefan Sichermann
Rezension von Stefan Cernohuby | 27. Januar 2018

Der Postillon: Real News

Wenn man in Deutschland etwas real will, geht man einfach dorthin einkaufen. Denn schließlich gibt es davon mehrere hundert Filialen. Will man dort News, kann man diese nun auch kaufen. Obwohl uns das Werk „Real News“ etwas überrascht hat, geht es doch keineswegs um spannende Neuigkeiten aus einer Supermarktkette. Stattdessen hat „Der Postillon“, laut eigenen Angaben Verbreiter von ehrlichen Nachrichten, unabhängig und schnell seit 1845, Newsmaterial aus aller Welt zusammengetragen. Wir haben uns das Buch dennoch angesehen.

Nach einer überraschenden Empfehlung von Donald Trump und einem vergessenen Vorwort des unscharfen Chefredakteurs Stefan Sichermann wird man ohne weitere Vorreden in ein Gewirr aus Newsartikeln geworfen. Und es sind Nachrichten, von denen andere große Magazine offenbar keinerlei Ahnung haben. Da erfährt man, dass der bemitleidenswerte IS-Schläfer, der einen Anschlag auf den fertigen Berliner Flughafen verüben sollte, mittlerweile an Altersschwäche gestorben ist. Dass Verteidigungsministerin van der Leyen ihr Auto aus der Luft betanken ließ. Man findet wirklich relevante Informationen über den Brexit, und liest von erstmaligen Vergleichen zwischen Äpfeln und Birnen. Es wird eine Allianz des Bösen zwischen Imperium und Mordor enthüllt, man lernt Kult-Tormann Manuel Neuer besser kennen und erfährt von den Problemen von Horror-Clowns. Es gibt aber auch kritische und nachdenkliche Artikel über Doppelmoral – wie beispielsweise bei der Verwendung von Giftgas in Kriegsgebieten und bei den Zukunftsaussichten von Rentnern. Allerdings sind da einige zweifelhafte Artikel, wie jene über den Schleudersitz, den man extra für den HSV-Trainer installiert hat – so etwas wäre ja doch etwas gefährlich. Und auch die Meldung, dass sich tatsächlich ein qualifizierter Mitarbeiter beim deutschen Verfassungsschutz tätig war, klingt äußerst unglaubwürdig. Stecken in diesem Werk nicht etwa doch Fake News?

Nicht, wenn es nach dem Umschlag geht. Denn dort wurde das Wort „Fake“ mit rotem Stift durchgestrichen und „Real“ darübergeschrieben. Darüber hinaus hat ja sogar der US-Clownpräsident Donald Trump das Buch als zuverlässige Quelle bezeichnet – und er kennt sich mit Fake-News schließlich aus wie kein anderer. Die bunte Zusammenstellung aus den wichtigsten Neuheiten eines nicht näher spezifizierten Zeitraums zeigt aber doch, dass einige Details mittlerweile der Vergangenheit angehören. So scheint das Pokémon-Problem in deutschen Tierheimen mittlerweile gelöst und sogar Österreich hat es geschafft, eine erfolgreiche Wahl durchzuführen. Das Magazin hat übrigens – wie wir nach eingehender Recherche festgestellt haben – auch einen Webauftritt, unter dem amüsanter Weise alle der im Buch enthaltenen Artikel ebenfalls zu finden sind. Gibt es dann überhaupt einen vernünftigen Grund sich das Werk in Papierform zuzulegen? Durchaus. Denn so kann man den Ist-Zustand festhalten. Man kann immer wieder vergleichen ob nicht etwa ein Hacker geschickt kleine Teile von Texten ersetzt, verharmlost oder gar ganze Artikel verschwinden lässt. Und wer weiß, falls eines Tages doch die Anhänger von Fake News triumphieren sollten und diesen Born der Weisheit, des Wissens, ehrliche Nachrichten, unabhängig und schnell seit 1845 vom Markt drängen sollte, kann man in diesem Buch immer noch die Wahrheit nachlesen – wie es einst war, ohne Manipulation, Gehirnwäsche und reinem Clickbait-Wahnsinn. Daher sagen wir ja. Kauft die Realität, kauft Real News. Obwohl sie gar nicht von real handeln, wie wir ursprünglich angenommen hatten.

„Der Postillon: Real News“ ist ein Buch, das wider Erwarten keine Neuigkeiten eines Lebensmittelgroßhändlers verbreitet. Dennoch waren wir von den gesammelten enthaltenen Artikeln begeistert – das sind Schlagzeilen, vor denen andere Magazine offenbar zurückgeschreckt sind. Nur manchmal kommen leise Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Buchs auf. Doch wenn das passiert, kann man immer wieder zum enthusiastischen Vorwort von Donald Trump blättern, der das Magazin euphorisch lobt. Also muss ja alles stimmen. Kaufen!

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