Die Chroniken von Azuhr

Der träumende Krieger

von Bernhard Hennen
Rezension von Stefan Cernohuby | 31. Oktober 2019

Der träumende Krieger

Hinsichtlich Träume gibt es viele verschiedene Ratschläge. Man solle seinen Traum leben, Träume verwirklichen oder sich von Träumen nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Bernhard Hennens Trilogie „Die Chroniken von Azuhr“ geht nun mit „Der träumende Krieger“ zu Ende. Inwieweit in diesem letzten Band Träume, Geschichten und Legenden die Wahrheit gestalten und verändern, ist aufgrund der Vorgänger eine sehr berechtigte Frage.

Märengestalten erheben sich im ganzen Kaiserreich. Zwar gibt es intern noch einige Unruhen und Umstürze, doch die größte Gefahr geht nun vom Heer des Khans aus. Dieser schickt sich an, mit einer gewaltigen, unaufhaltsamen Menge an Menschen und Material einzufallen. Kaiserin Sasmira sitzt mittlerweile fest auf ihrem Thron, unterstützt von ihrer treuen geflügelten Garde. Doch Milan Tormeno, seine Geliebte Nok und sein Vater Nandus suchen nach einem großen Geheimnis: dem roten Turm. Der Rückzugsort eines Geheimbundes, der offensichtlich seit langem die Geschicke der Mächtigen lenkt oder zumindest maßgeblich beeinflusst. Sie sehen eine Möglichkeit von Nutzen zu sein und einen unnötigen Krieg zu verhindern. Der Weg dorthin ist beschwerlich und gefährlich. Verschiedene Menschen und Märengestalten kreuzen ihren Weg, darunter ein brennender Mann, ein Riese und eine Hexe. Als sich das Geheimnis des Turms und des nahen Apfeltals offenbaren, steht eine weitere Reise bevor. Eine, auf der die Identitäten der Reisenden plötzlich nichts mehr wert sind. Und irgendwann stellt sich dem Leser die Frage, wer eigentlich in Wahrheit gut und wer böse ist – und ob die Wahrnehmung dieses Zustands tatsächlich nicht nur durch die erfolgreiche Verbreitung der jeweiligen Wahrheit bestimmt wird.

Bernhard Hennen hat sich im Laufe der Trilogie immer weiter von konventionellen Handlungsverläufen abgewandt. Die Charaktere erkennen zunehmen, welchen Einfluss sie nehmen und auch, wie sie die Realität formen können. Insbesondere gilt das für die Mitglieder der Familie Tormeno, welche auf unterschiedliche Weise damit beginnen, das zu verändern, was immer schon Wahrheit war. Allerdings verwenden sie gegensätzliche Methoden. Während der gefallene Erzpriester Nandus nach wie vor versucht, den Glauben verschiedener Menschen in die, seiner Meinung nach, passende Richtung zu lenken, will Milan nicht weniger als die Welt verändern. Mären ermöglichen, über sich und ihre Legende hinauswachsen zu lassen und Strukturen verändern, die gewissermaßen schon immer existieren. Doch manches ist sogar für den Fleischweber zu schwierig. Und letztendlich kommt der Punkt, an dem sich gewisse Charaktere übernehmen, einfach, weil sie ihre eigene Wichtigkeit überschätzen.
Autor Bernhard Hennen geht mit seinen Lesern in diesem Roman definitiv nicht zimperlich um. Er verwendet beinahe unmerkliche Parallelen zum ersten Roman, treibt das Thema „Realitätsveränderung“ auf die Spitze und verzichtet auch nicht darauf, den einen oder anderen Charakter gewaltsam aus dem Gesamtgefüge der Handlung zu entfernen. Er löst die Handlung gut auf – mit einem Ende, das vermutlich nur in dieser einen Welt funktionieren kann – lässt aber dennoch einiges offen, über das sich der Leser den Kopf zerbrechen kann. Gefühlt bleibt das Werk aber doch ein wenig hinter den beiden Vorgängerbänden zurück, obwohl es immer noch einen sehr guten Roman darstellt.

„Der träumende Krieger“ ist der dritte und letzte Band von Bernhard Hennens „Die Chroniken von Azuhr“. Sowohl die Handlung als auch das Grundthema, das sich mit Wahrheit, Lügen und Realität beschäftigt, streben hier auf ein großes Finale zu. Auch wenn das Buch sehr gut gelungen ist, kann es leider trotz aller Überraschungen nicht ganz so überzeugen wie die beiden Vorgängerromane.

Details

Bewertung

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