Die Akte Kalkutta

von Heidi Emfried
Rezension von Manfred Weiss | 03. April 2018

Die Akte Kalkutta

Herbst und Winter haben sich über Wien gelegt. In Indien scheint die Sonne. Und wenn beides in einem Krimi zusammenkommt, dann gibt es viel zu ermitteln für die Mordkommission in Wien. Es ist ein weiter Weg von Kalkutta bis nach Donaustadt.

In der Lobau wird die nur notdürftig verscharrte Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Braungebrannt, mit blondem Haar und blauen Augen, gekleidet in einen billigen und für die Jahreszeit viel zu dünnen Anzug. In Mauerbach wird ein Reisender in Sachen Gastronomie mit der gleichen Waffe erschossen. In Wien macht sich Chefinspektor Leo Lang mit seinem Team auf die Suche nach den Mördern und den Hintergründen der Taten. Führt hier die in beiden Fällen verwendete Waffe zwei sehr ungleiche Morde zusammen oder ist das nur ein Zufall?

Hollywood in der Lobau

Das im Titel erwähnte ferne Kalkutta lässt für Handlung und Hintergründe auf Exotik schließen, während die Wiener und Niederösterreichischen Schauplätze Lokalkolorit liefern. Und beides wird in dem Roman bedient. Auch Chefinspektor Leo Lang und sein Team bieten original Wiener Flair, wenn auch mit brasilianischem Einschlag, während die Modedesignerin des Ateliers Sofonisba Anguissola und ihre Kontakte nach Indien wieder den Hauch des Fremdländischen entgegen halten. Heidi Emfried verwendet in “Die Akte Kalkutta” beides, um eine spannende und variantenreiche Krimihandlung zu schaffen.
Ein gewisser hintergründiger Witz wirkt auch bei der Namensgebung einzelner handelnder Personen mit. Wenn etwa ein Klinikleiter Pröll heißt und sein Anästhesist Kurz. Dass der kroatische Unterweltpate recht untypisch Wasserbauer heißt bleibt da nur eine Randnotiz.

Die Handlung verbindet geschickt Privates des Inspektors mit zahlreichen mehr oder weniger vielversprechenden Spuren. Die eine oder andere überraschende Wendung kommt auch noch dazu und der Leser findet sich lange auf zwar sicherem, aber recht verwirrendem Terrain, ob all der Fakten, die auf den Ermittler und sein Team einstürzen. Bis die Handlung irgendwann, weil sie in Richtung Auflösung die sprichwörtlichen Karten auf den Tisch legen muss, den Leser doch etwas ratlos zurücklässt. So viele Fakten haben sich angesammelt, so viele Puzzlesteine haben sich aneinandergefügt, dass sich der Weg in Richtung Auflösung mehr und mehr verengt.

Und irgendwann ist, wie in vielen Krimis, der Moment erreicht, wo die schiere Logik beiseite geschoben werden muss um das sich ergebende Ende zu ermöglichen.

Flaxen im Gulasch

“Die Akte Kalkutta” ist spannend und handlungsreich geschrieben, das Buch auch erfreulich gut und gewissenhaft lektoriert. Die Handlung ist auf zwei Monate komprimiert und lässt den Wiener Leser, der vermutlich zahlreiche der verwendeten Orte in seiner Stadt kennt, seine Ortskenntnis nutzen, während sie dem Nicht-Wiener ein kleines Fenster auf Wien öffnet. Etwa wenn Teile der Ermittlergruppe im Wiener Dialekt reden und der auch, quasi in Lautschrift, so niedergeschrieben ist. Dafür gibt es im Anhang ein Glossar der benutzen Dialektausdrücke. Durchaus auch für den Wiener interessant, den ein oder anderen Begriff “übersetzt” zu sehen. Etwa die in einer Diskussion rund um die notwendige Fleischqualität beim Gulasch erwähnten “Flaxen”. Und ein wenig gibt es, für alle die mit mitochondrialer DNA nicht so vertraut sind, auch über Biologie zu lernen.

“Die Akte Kalkutta” ist ein leicht zu lesendes und gut gemachtes Buch für alle, die nach einem spannend und unterhaltsam geschriebenen Wien-Krimi suchen und dabei nicht unbedingt auf geradlinige Plausibilität der Handlung Wert legen. Die Namensgebung einzelner handelnden Personen mag auch für das ein oder andere Schmunzeln sorgen.

Details

Bewertung

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