Die Türme von Eden

von Alessandra Reß
Rezension von Stefan Cernohuby | 20. April 2023

Die Türme von Eden

Wenn man von mythologisch vorbelasteten Entitäten spricht, gibt es mitunter Interpretationsprobleme. Beispielsweise von Engeln sind in verschiedenen Kulturkreisen sehr unterschiedliche Manifestationen bekannt. Wenn also in einer fernen Zukunft eine Gruppierung die Existenz von Engeln propagiert und eine andere Organisation stets auf der Suche nach Wahrheit ist und an diese Engel nicht glaubt, sind Konflikte vorprogrammiert. Davon erzählt Alessandra Reß in ihrem Roman „Die Türme von Eden“.

Es gibt Legenden von Engeln. Alte und neue. Aber die aktuellen sprechen von Sichtungen von Menschen mit metallenen Flügeln. Von Menschen, in denen mutmaßlich ein Engel wohnt. Von den Liminalen, die sich in den Dienst der Ideale dieser Engel gestellt haben. Für die einen sind die Liminalen eine Gruppe an Fanatikern, die nach der Macht greifen, für die anderen ein möglicher Weg zur Erleuchtung oder zumindest, um Vergebung zu erlangen. Mehrere sehr verschiedene Charaktere beschließen aus unterschiedlichen Gründen, sich den Liminalen anzuschließen. Darunter sind Verzweifelte und Suchende. Einige suchen nach Verschwundenen, andere nach dem Sinn ihrer Existenz. Die Verzweifelten suchen nach Vergessen, eine neue Möglichkeit, einen Neubeginn zu wagen. Was sie finden ist jedoch nicht das, was sie erwartet haben. Denn zuallererst müssen sie sich mit sich selbst und ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Es gibt Rätsel, aber die Lösung ist schwer verständlich. Was ist das geheimnisvolle Serum, das angeblich alle Wunden heilen, zur Unsterblichkeit führen und Engel zum Leben erwecken kann? Tiefer und tiefer begleitet man die Charaktere in den metaphorischen Kaninchenbau. Eden. Dort findet man allerdings auch Gewalt, Pläne und viel Vergangenheit.

Alessandra Reß stellt in „Die Türme von Eden“ viele Fragen und zeigt auf, dass die Antworten davon auch stark von denjenigen abhängen, denen man sie stellt. Für alle Kenner ihrer Romane hat sie auch eine kleine Verbindung zwischen ihrem Buch „Spielende Götter“ eingebaut, die eine dort offene Frage beantwortet. Die Charaktere und ihre eigenen Beweggründe sind sehr gut ausgearbeitet. Im Zentrum des Romans steht allerdings weniger der Plot selbst als die philosophische Auseinandersetzung mit Konzepten, Mythologien und dem, was man letztendlich daraus macht. Das geht ein wenig auf Kosten der Spannung und einige Kapitel fühlen sich an, als würde man mit Erklärungen und Informationen beinahe erschlagen. Was nicht heißt, dass es keine Action gibt, aber das Grundtempo der Handlung ist nicht hoch. Man muss aufmerksam sein, sich mit den Gedanken auseinandersetzen und bereit dazu sein, selbst etwas für sich mitzunehmen. Neophyten und ihre Entstehung sind da nur ein kleiner Bestandteil.
Man kann bei Romanen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Alessandra Reß hat bei ihrem mehr auf Philosophien gesetzt und mehrere davon zur Betrachtung nebeneinandergelegt. Das macht den Roman interessant und zeigt auch, wie gründlich sich die Autorin mit Themen auseinandersetzt. Allerdings ist das Ergebnis vielleicht nicht das, als was es ein Verlag bewirbt. Denn das Werk ist sicherlich nicht für jedermann geeignet und nur bei sehr großzügiger Auslegung Space-Fantasy.

„Die Türme von Eden“ ist ein Roman von Alessandra Reß, der in einem futuristischen Setting viele Fragen philosophischer Natur stellt und es den Lesenden selbst überlässt, für sich eine Antwort zu finden. Jene Aspekte des Werks machen das Buch mitunter etwas langatmig und benötigen viel Aufmerksamkeit. Insgesamt ist das Werk, das man getrost als anspruchsvoll bezeichnen kann, aber nicht für jeden Lesetyp geeignet.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl:

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