Auf manche Fortsetzungen muss man jahrelang warten. Da nutzt es auch nichts, wenn man die entsprechenden Autor*innen regelmäßig mit Nachfragen löchert. Ein Roman braucht seine Zeit. So auch der zweite Band der Reihe „Archibald Leach“ von Markus Cremer. In jenem zweiten Band bekommt er es mit den „Machenschaften der Mama Legba“ zu tun. Und das verspricht eine Geschichte mit nicht unbeträchtlich Länge, zumindest, wenn man nach der Dicke des Buchs geht.
Archibald Leach und Sarah Goldberg haben geheiratet und planen ihre Hochzeitsreise. Paris soll es werden, mit einem Luxus-Zeppelin. Sarah, die auf jeden Fall noch hinsichtlich einer jüdischen Zeremonie insistiert, ist dennoch skeptisch. Wann läuft bei Archibald Leach jemals etwas nach Plan? Und so kommt es, wie es kommen muss. Die beiden werden vom Plan der titelgebenden Mama Legba eingeholt. Die Dame benutzt Puppen, um einerseits übersinnlich Begabte um sich zu scharen und andererseits einflussreiche Persönlichkeiten zu kontrollieren. Da Archibald Leach zumindest zu einer der beiden Kategorien gehört, geraten er und Sarah Goldberg in Gefahr, was dazu führt, dass sie sich auf ihrer eigenen Hochzeitsreise als blinde Passagiere in den Frachtraum schmuggeln müssen. Das ist aber nur der Auftakt zu einem Abenteuer auf drei Kontinenten, die von Magie, Steampunk und improvisierten Plänen nur so strotzen. Man begegnet alten Bekannten aus dem ersten Roman wieder und führt neue Nebencharaktere ein. Vor allem leidet man mit der Protagonistin Sarah Goldberg, die ein ums andere Mal mit Schrecken und Ärgernissen konfrontiert wird, die man auf der eigenen Hochzeitsreise nicht erleben möchte. Etwas, was sie über die Jahre ihrer Ehe mit Archibald Leach hinweg ganz offensichtlich in einer Unzahl an Erlebnisberichten, Beziehungsratgebern und okkulten Werken verarbeitet hat.
Eines ist der Roman ganz bestimmt nicht: geradlinig. Archibalds Kompass wird gewissermaßen zum Synonym der Handlung. Es geht hierhin, dorthin und dann einmal im Kreis, bevor man sich dem Ziel (vermutlich spiralförmig) annähert. Aber das weiß man, wenn man den Vorgängerroman kennt. Und das ist ein ganz eigener Reiz, den der Roman auf den Leser ausübt. Die Handlung führt durch verschiedene Kulturkreise, tangiert Religionen, Legenden. Sie macht sich weder darüber lustig, noch nimmt sie irgendetwas völlig ernst. Schon gar nicht Archibald Leach, der in mehr als einer Hinsicht der Cary Grant des Okkultismus ist – wenngleich mit deutlich schüttererem Haar. So bedrohlich Szenen auch werden, ein wenig Humor bleibt immer mit dabei. Müssen die Protagonisten die Welt retten? Oder nur Großbritannien? Diese Frage stellt sich dem Leser nicht lange und er hat danach 800 Seiten, um sich selbst die Antworten auf „Wie“ und Warum“ zu geben. Fakt ist, das Warten auf den Roman hat sich mehr als gelohnt. „Archibald Leach und die Machenschaften der Mama Legba“ ist vom Erzählbogen und von den einzelnen Abschnitten des Romans besser geplant und umgesetzt als der Erstling und Debütroman. Man kann das Werk jedem, der bereit ist, sich auf ein humorvolles Steampunk- und Fantasywerk einzulassen, mit dessen Gewicht und Umfang man auch wahlweise Türen stoppen oder Einbrecher in die Flucht schlagen kann, nur empfehlen. Und wenn man die richtige Ausgabe kauft, gibt es sogar einige tolle Gimmicks dazu, über die aber hier geschwiegen werden sol. Nur soviel: Ein Kompass zeigt nicht immer nur nach Norden.
„Archibald Leach und die Machenschaften der Mama Legba“ ist der zweite Roman rund um die Abenteuer des exzentrischen Abenteurers mit seiner streitlustigen und scharf schießenden Frau Sarah Goldberg - nebenbei gibt es noch unzählige Kurzgeschichten. Und jener Roman ist nicht nur vom Preis-Leistungs-Verhältnis her unschlagbar, er unterhält auch bestens, steckt voller Humor und Abenteuer. Es ist die Fortsetzung, auf die Fans lange gewartet haben.
Details
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Band:2
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Erschienen:10/2022
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Umfang:800 Seiten
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Typ:Taschenbuch
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ISBN 13:9783945045107
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Preis (D):18,50 €