Im Reich des Toten Königs

von Carsten Steenbergen
Rezension von Stefan Cernohuby | 11. Januar 2020

Im Reich des Toten Königs

Es gibt unendlich viele Reiche in der Fantasie der Menschen. Manche von ihnen sind historisch, andere vergessen und wieder andere in Fantasywelten angesiedelt. Offensichtlich gibt es auch welche, in denen tote Könige an der Macht sind. Denn sonst gäbe es wohl nicht Carsten Steenbergens Roman „Im Reich des Toten Königs“. Ein Land und Werk, das definitiv neugierig macht.

Staubner ist vieles. Manchmal gewitzt, manchmal unauffällig, manchmal an der Grenze der Legalität, aber eines sicher nie: ein Kämpfer. Das führt dazu, dass er aufgrund einer alten Meinungsverschiedenheit mehrere Unfälle erleidet und sich dann plötzlich mitten in einer Karawane ins Nirgendwo wiederfindet. Doch zumindest ist er seine beiden Verfolger, den Fürsten Fausto und den Auftragsmörder Ozias, erst einmal los.
Andacht ist ein Priester und die rechte Hand der Obersten Segen. Letztere ist eine alte, gebrechliche Frau, aber intelligent, davon überzeugt stets das Richtige zu tun und dabei immerhin die zweite in der Hierarchie des Tempels – gleich nach dem Erleuchteten. Doch die Dinge stehen momentan nicht zum Besten. In den äußeren Bezirken grassieren Hunger und Durst, während Adelige und Priester immer noch genügend zu essen haben. Doch offenbar hat seine Vorgesetzte einen Plan. Einen gewagten Plan.
Als Staubner im Reich des Toten Köings eintrifft, wird er für jemand anderen gehalten. Er soll Probleme beseitigen, und Probleme heißt in diesem Fall Menschen. Andacht, der zuvor nicht einmal wusste, dass es Menschen außerhalb des hochgelegenen Plateaus seiner Stadt gibt, soll ihm dabei helfen. Doch während sich die beiden widerwillig aufmachen, ihre jeweiligen Aufträge zu erfüllen, gibt es zwei voneinander völlig unabhängige Gefahren, die auf ihn, Andacht und die ganze Stadt zukommen. Und das, kurz vor dem größten Fest des Jahres …

Der Roman beginnt in einer Spelunke und mit einer Schlägerei. Irgendwie hat das etwas von einem klassischen Fantasywerk, vielleicht sogar einem Rollenspiel-Roman. Der Aufbau des Werks ist sehr gut gelungen. Von zwei Einzelschicksalen hangelt man sich über deren Geschichte zu einer komplexen Mini-Gesellschaftsarchitektur. Man lernt Strukturen kennen, Machtgefüge, Personen die Intrigen spinnen und die versuchen, andere durch überraschende Züge wie beim Schachspiel zu übertölpeln. Das geht ungefähr zwei Drittel des Buchs gut. Danach wird alles ein wenig Geschmackssache. Es gibt überraschende Einflüsse von außen, eine Einmischung, mit der man nicht rechnet und dann werden einige Andeutungen, die in den vorherigen Kapiteln eingestreut wurden, sehr hart und nachhaltig zu einem Ende geführt – man könnte sogar sagen, hart abgeschnitten. Und hier ist der Teil, dem man dem Autor vielleicht ein wenig ankreiden kann. Es ist sicher überraschend, wenn man die Erwartungen des Lesers in eine Richtung lenkt und dann aber einen völlig anderen Weg geht. Aber wenn viele Andeutungen, auf die man sich schon gefreut hat, sich einfach als Sackgassen erweisen, weil plötzlich alle Betroffenen tot sind, eine wichtige Person einfach wegfällt und eine andere einfach nicht mehr auftaucht, ist das etwas unerfreulich. Manche Enden im Buch wirken wie gewaltsam gekappt, so als wären dem Autor ein wenig die Seiten ausgegangen. So hat man letztendlich das Gefühl, zwar einen soliden, spannenden Roman gelesen zu haben, der aber eigentlich noch mehr Potenzial gehabt hätte.

„Im Reich des Toten Königs“ ist ein Roman von Carsten Steenbergen, der in einer phantastischen Welt angesiedelt ist, aber trotzdem vom Schicksal ganz normaler Menschen inmitten des Spiels Mächtiger erzählt. Das Werk unterhält über weite Strecken, auch wenn das Ende etwas abrupter kommt, als man vielleicht erwartet. Einige Erzählstränge hätten vielleicht noch mehr Potenzial gehabt – und das ist, was das Werk letztendlich daran hindert, sich vom soliden Durchschnitt abzuheben.

Details

Bewertung

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